Der Duft des Jacaranda-Baums (German Edition)
ihre Liebe an jemandanderen verloren hatte. Und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem ihm dies alles so sonnenklar wurde.
Sarah bewegte sich kurz und murmelte im Schlaf. Wolf wandte sich um und sah zum Bett, doch sie schlief weiter. Es kam ihm vor, als ginge er jetzt wohl zum hundertsten Mal zu ihr. Als er vor ihr stehen blieb, warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. Verblüfft stellte er fest, dass beinahe zwei Stunden vergangen waren. Seine Augen wanderten von ihrem vernarbten Arm zu ihrem Gesicht. Es widerstrebte ihm, sie aufzuwecken. Sie war so müde gewesen, dass ihm die kurze Zeit des Schlafs zu wenig erschien. Er überlegte einen Moment, drehte sich um, um sein Handy zu holen, und verließ leise das Zimmer. Auf dem Hotelflur ging er bis zum Ende des Gangs, wo zwei kleine Korbsessel am Fenster standen. Dazwischen war eine große Palme, die ihre Wedel darüber ausbreitete, als hätte man einen Sonnenschirm aufgespannt. Er ließ sich mit der Klinik und anschließend mit der Station verbinden, auf der Oliver lag. Ärgerlich musste er es hinnehmen, dass man ihm keine Auskunft über seinen Zustand geben wollte. Immerhin gelang es ihm, die Schwester dazu zu bewegen, ihm Heather kurz an den Apparat zu holen. Er verdrehte genervt die Augen, als man ihn noch entschieden darauf hinwies, dass dies nur ausnahmsweise und auch nur kurz möglich sei. Erleichtert atmete er auf, als sich Heather meldete. »Heather? Ich bin’s, Wolfgang. Ich wollte hören, ob es etwas Neues gibt.« Er kratzte sich nervös am Kinn. »Ich musste all meine Überredungskunst aufbieten, damit sich Sarah ein wenig hinlegt. Nun ist sie eingeschlafen, und ich würde sie ungern aufwecken, es sei denn, die Umstände würden es erforderlich machen.« Heather stimmte ihm zu. »Nein, nein, lassen Sie sie ruhig noch schlafen. Olivers Zustand hat sich praktisch nicht verändert, das heißt, genau genommen hat er sich ein wenig verbessert. Ich bleibe gerne noch ein Weilchen hier sitzen. Sollte sich etwas ergeben, melde ich mich.«
Wolf fuhr sich über die Bartstoppeln. »Ja, ist gut.« Er machte eine kleine Pause und gab sich dann einen Ruck.
»Heather?«
»Ja? Ist noch etwas?«
Er zögerte. »Hatte Sarah hier einen Unfall in Australien?«
Heather runzelte unwillkürlich die Stirn. »Nein, nicht dass ich wüsste. Warum? Ist etwas nicht in Ordnung mit ihr?«
Er schüttelte rasch den Kopf. »Nein, nein, alles okay. Ich hab nur so gefragt. Bis später dann.«
»Ich muss hier auch Schluss machen. Bis später.«
Wolf steckte das Handy weg und ging langsam zu Sarahs Zimmer zurück, öffnete leise die Tür, schlüpfte hinein und setzte sich in einen der kleinen Sessel, die unter einer Stehlampe in der Ecke standen. Müde lehnte er sich zurück und legte die Füße auf Sarahs Reisetasche, die am Boden stand. Er schloss die Augen und lauschte Sarahs gleichmäßigen Atemzügen. Er fühlte sich verunsichert und irritiert, denn ihm war klar geworden, wie sehr er sie vermissen würde und dass sie einfach zu seinem Leben gehörte. Er wollte sie nicht verlieren. Sekundenlang dachte er an Oliver und wusste nicht, ob er sichwünschen sollte, dass er durchkam. Gleich darauf öffnete er beschämt die Augen und rieb sich die Schläfen. Natürlich wünschte er Oliver, dass er überlebte. Was konnte er ihm denn auch vorwerfen? Dass er wahrscheinlich da gewesen war, als Sarah ihn gebraucht hatte? Dass er erkannt hatte, wie süß sie war, und sich dann in sie verliebt hatte – und sie vielleicht auch in ihn? Wolf lehnte den Kopf zurück und schloss erneut die Augen. Verdammt, was war nur passiert?
Stunden später schreckte er in seinem Sessel hoch, als er die Badezimmertür klappen hörte. Sarah war nicht mehr in ihrem Bett. Müde rieb er sich die Augen und stand auf. Er musste wohl eingenickt sein. Zähneknirschend bog er seinen schmerzenden Rücken durch. Nach überraschend kurzer Zeit kehrte Sarah vollständig angezogen aus dem Bad zurück. Sie trug ein paar frische dunkelblaue Jeans und ein blau-weiß geringeltes Sweatshirt. Hastig stopfte sie ihre Wäsche in einen Beutel und warf ihm einen wütenden Blick zu. »Du hast mir versprochen, mich nach zwei Stunden zu wecken!«
Er hob beschwichtigend die Hände. »Ich habe nach zwei Stunden im Krankenhaus angerufen, Sarah. Heather hat mir gesagt, dass es Oliver inzwischen sogar ein wenig besser geht. Wir beide waren uns einig, dich noch etwas schlafen zu lassen. Du warst so erschöpft, dass ich es nicht fertig
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