Der Duft des Jacaranda-Baums (German Edition)
einmal mehr gewagt, sie anzurufen. Verbittert mied er inzwischen sogar die Gesellschaft seiner Eltern, denn insgeheim machte er auch sie für die Entwicklung der Dinge verantwortlich. Sicher hätten sie Sammy in ihrer Haltung ein wenig beeinflussen können. Müde rieb sich Oliver die Augen, dann sah er auf die Uhr. Gleich war sein Dienst im Hotel zu Ende. Was erwartete ihn? Ein weiterer viel zu stiller Abend? Niedergeschlagen räumte er seinen Arbeitsplatz und machte sich auf den Heimweg.
Sarah hatte die vergangenen Wochen ebenfalls nur mit Hilfe der Arbeit auf der Farm bewältigt. Sie ging voll und ganz in ihren neuen Aufgaben auf und war stolz darauf, Fortschritte zu machen. Gemeinsam mit ihren Großeltern hatte sie drei weiteren Fohlen auf die Welt geholfen und war von diesen Ereignissen tief berührt gewesen. Auch wenn sie wusste, dass es sich um einen in Züchterkreisen geradezu alltäglichen Vorgang handelte, war es für sie etwas ganz Besonderes gewesen. Darüber hinaus half ihr die Nähe zu den Tieren, die sie so liebte, dabei, langsam über die Trennung von Oliver hinwegzukommen. Trotzig sagte sie sich, wenn er es so einfach schaffte, musste auch sie es schaffen. Insgeheim jedoch vermisste sie ihn schmerzlich, und das Taktgefühl ihrer Großeltern, die ihn mit kaum einer Silbe erwähnten, erinnerte sie häufig daran, wie sehr er ihr fehlte.
Oliver saß an diesem Freitagabend in seinem Arbeitszimmer und versuchte Ordnung in einen Stapel ausKontoauszügen, Rechnungen und Steuerunterlagen zu bringen. Er wollte sich mit dieser Tätigkeit zwingen, wieder in die Normalität zurückzukehren, in sein normales Leben mit seiner kleinen Tochter. Wie immer schweiften seine Gedanken nach einiger Zeit ab, und er zog unter seiner Schreibtischauflage ein Foto von Sarah hervor und betrachtete das Gesicht, das ihn nicht mehr losließ. Er bemerkte nicht, dass Sammy in der halb offenen Tür stand. Erst als Nelson mit seiner Schnauze die Tür ganz aufstieß, schaute er auf.
»Ach, Sammy. Was hält dich denn dieses Mal vom Schlafen ab, hm?« Er legte das Foto beiseite.
Sammy kam zu ihm, griff nach dem Foto und ließ sich damit in einen kleinen Korbsessel fallen, der in einer Ecke des Zimmers stand. Sie betrachtete das Bild eine Weile und sah dann auf. »Sie fehlt dir, nicht?«
Oliver stützte den Kopf auf eine Hand und nickte. Er sah keinen Grund, sich zu verstellen. »Ja, sie fehlt mir sogar sehr, Sammy.«
»Und wenn wir mal wieder zu ihr fahren?« Oliver schüttelte leicht den Kopf. »Ach Sammy, das bringt doch nichts. Du hast mehr als deutlich gezeigt, dass du Sarah nicht akzeptieren willst. Sie leidet unter dem Hin und Her, und ich auch. Also lassen wir es besser. Du hast doch deinen Willen bekommen. Alles ist jetzt so wie früher, nicht?«
Samantha schluckte. »Nein. Es ist überhaupt nicht mehr so wie früher. Du bist ganz anders ... und immer so ernst.«
Oliver seufzte leise. »Das tut mir Leid, Sammy. Aber ich vermisse Sarah, auch wenn du das nicht gernhörst. Man kann jemanden, den man lieb hat, nicht einfach so aus seinem Leben und seinen Gedanken streichen. Vielleicht wirst du das auch irgendwann einmal verstehen.«
Sammy hatte den Kopf gesenkt und sah auf das Foto. »Ich hatte einfach Angst, dass ich nicht mehr wichtig für dich bin, wenn sie da ist.«
»Ach Sammy.« Oliver war aufgestanden und vor ihrem Sessel in die Hocke gegangen. »Du solltest doch wissen, wie wichtig du für mich bist.«
Sie reichte ihm das Foto und schluckte einen letzten Rest von Stolz hinunter. »Eigentlich war sie ja ganz nett, und den Reitunterricht vermisse ich auch.«
Oliver musterte sie unsicher. »Was soll das, Sammy?« Er fühlte Unwillen in sich aufsteigen. War das nur wieder eine Laune? »Hast du gerade mal Lust auf eine Reitstunde, und wenn dir wieder etwas nicht in den Kram passt, haust du ab und stürzt alle in Sorge?« Sammys Wangen waren knallrot geworden, und Oliver bedauerte schon seine deutlichen Worte. Sie sah an ihm vorbei zum Fenster.
»Vielleicht hab ich ja auch nachgedacht, Dad. Und ich hab schon vor Wochen gesagt, dass es mir Leid tut, dass ich weggelaufen bin.«
»Schon gut. Ich weiß.« Er stand auf.
Sie löste ihren Blick vom Fenster und schaute ihn an.
»Ich ... ich würde mir dieses Mal mehr Mühe geben.«
Oliver runzelte die Stirn und sah auf sie hinunter. War sie nach all den Wochen doch noch zur Einsicht gekommen, oder heckte sie nur einen neuen Plan aus, Sarah endgültig zu vergraulen? Konnte er
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