Der Duft des Meeres
Vögel, das melancholische Rufen der Eule, das Summen der Insekten – verstummt. Sie verstecken sich. Camille presste die Nägel in Oscars Haut.
»Wir müssen hier weg.«
Kapitel 22
Oscar hielt Camilles Hand in seiner, während er weiter den Pfad hinaufging, und obwohl sie vor Müdigkeit kaum noch laufen konnte, rannte sie nun fast. Sie wusste nicht, wo sie sicher sein würden vor dem, was in der Höhle lebte, was immer es war. Die Sonne war verschwunden und der aufgehende Mond wurde von Minute zu Minute heller. Bald würden sie innehalten und ihr Lager aufschlagen müssen. Der Pfad war zu gewunden und zu sehr von Wurzeln und Steinen bedeckt, um es zu riskieren, nur bei Mondlicht nach Einbruch der Dunkelheit noch weiterzugehen.
Ohne Vorwarnung schlossen sich Iras Finger um Camilles Schulter und brachten sie ruckartig zum Stehen.
»Was ist los?«, fragte sie.
»Pst.« Er drückte einen Finger auf die Lippen.
Ein leises Grollen kam hinter den brusthohen Büschen zu ihrer Rechten hervor. Camille konnte nicht durch die mit roten Beeren bestückten Zweige schauen. Ein weiteres gurgelndes Bellen folgte und zwei orangefarbene Augen erschienen zwischen den roten Beeren. Oscar zielte mit dem Gewehr direkt auf die Kreatur.
Ein katzenähnliches Zischen erschreckte sie von hinten, und als Camille sich umdrehte, sah sie eine weitere orangeäugige Kreatur auf dem Felsvorsprung über ihnen hocken. Die Kreatur erhob sich auf die Hinterbeine, wodurch sie doppelt so groß war wie Oscar. Sie hatte braunes Fell. Die Vorderbeine, die in großen Tatzen endeten, hatte sie ausgebreitet, ihre Schnauze zu einem Knurren verzogen, das rasiermesserscharfe Reißzähne freigab. Die Bestie schwang sich von dem Vorsprung, die gebogenen Krallen ausgefahren zum Angriff. Camille schrie und ein Schuss ertönte. Das Ungeheuer fauchte und stürzte zu Boden.
»Hinter Ihnen!«, rief Ira, als die andere Kreatur über die Büsche setzte. Mit einem mächtigen Tatzenhieb schlug sie Oscar das Gewehr aus der Hand und schleuderte ihn gegen den Felsvorsprung. Camille griff nach dem heruntergefallenen Gewehr, aber die Bestie drehte sich auf den Hinterbeinen um und entdeckte sie. Ihre massige Vorderpfote traf Camille in die Rippen und presste ihr die Luft aus den Lungen. Ihre Krallen rissen Camille zurück und die Bestie schleuderte sie von dem Gewehr weg.
Camille versuchte mit aller Macht, nicht das Bewusstsein zu verlieren, während die Bestie heulte und schwer atmete. Ihr Rücken brannte und Schmerz durchzuckte ihre Seite. Sie stützte sich auf einen Ellbogen und sah Oscar, der immer noch schlaff am Fuß des Felsvorsprungs lag. Gott, was hatte sie getan? Oscar war ihr auf diese Mission gefolgt. Ira ebenfalls. Sie hatte die beiden hierher geführt. Dies war alles ihr Werk, ihre Schuld.
Die sehnigen Schultern der Bestie zeichneten sich im Mondlicht ab, als sie sich zu ihr umdrehte. Das Ungeheuer blinzelte, und seine Pupillen, senkrechte Schlitze, verengten sich. Was immer es war, es sah aus wie eine Kreuzung zwischen einem Bären, einem wilden Hund und einem Menschen. Langsam kam es auf sie zu, drehte den Kopf und hob die Pfoten. Es ächzte und gurgelte, die Reißzähne immer noch gebleckt.
Camille fuhr mit den Händen über den Boden, aber ihre Finger schlossen sich nur um Moos und kleine Kieselsteine. Mit ihren bestrumpften Füßen stieß Camille sich von dem Ungeheuer weg, als es ihr näher kam. Ihr Rücken traf auf den Felsvorsprung. Sie konnte nirgendwohin. Gefangen beobachtete sie, wie die Kreatur mit der Vorderpfote ausholte und die Klauen ausfuhr. In dem Moment, der ihr noch blieb, schaute sie zu Oscar hinüber.
Er war fort.
Ein Felsbrocken traf die Bestie am Kopf. Sie jaulte und reckte den Hals. Vom Rand des Felsvorsprungs über ihr warf Ira einen weiteren Stein und traf die Kreatur mitten auf die Brust. Die Bestie hockte sich hin und sprang dann hinauf, zu Ira. Ein Krachen ertönte und die Bestie fiel zu Boden. Oscar stand hinter dem zuckenden Tier, das Gewehr wieder in den Händen. Er schoss der Bestie eine letzte Kugel in den Kopf und das Zucken hörte auf. Camille schnappte nach Luft und begriff, dass sie den Atem angehalten hatte. Oscar zog sie auf die Füße.
»Was hat die Bestie dir angetan?«
Sie konnte nichts spüren, nur ein dumpfes Pochen in ihren Beinen, ihren Armen und ihrem Kopf. Camille begrub das Gesicht an Oscars Brust. Er versuchte, sie zu umarmen, zog aber sofort die Hände zurück.
»Oh Gott«, sagte er und drehte sie
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