Der Duft des Meeres
Samuel, während er sie hochzog. »Ich wusste nicht, dass mein Vater das tun würde. Wir haben gestern Nacht Gewehrschüsse gehört und daraufhin hat er kehrtgemacht. Er hat mir gesagt, er mache sich Sorgen, dass die Bestien dir etwas antun könnten, aber … aber er …«
Camille wartete den Rest von Samuels Erklärung nicht ab. Sie rannte auf die Höhle zu, ihr Bruder dicht hinter ihr. Sie kam aus dem Wald auf die kleine Lichtung und sah, dass McGreenery und seine zwielichtigen Gefolgsleute den Höhleneingang umzingelt hatten. Es waren insgesamt drei Männer, nicht mitgerechnet Samuel und den Mann mit dem zotteligen Bart. Die Rufe hatten aufgehört, und als sie näher kam, versuchte Ira, sich an einem brutalen Seemann vorbeizudrängen, der einen langen, angespitzten Stock an seinen Adamsapfel hielt.
Und dann sah sie ihn.
Oscar krümmte sich zu McGreenerys Füßen auf dem Boden. McGreenery stand über ihm, einen blutbeschmierten Speer in der Hand. Ihr Inneres verhärtete sich, während sie zu Oscar hinüberrannte und sich in das Blut um ihn herum kniete. Sie umklammerte sein Hemd, dessen schwarze und weiße Karos jetzt von leuchtend rotem Blut getränkt waren. Oscar rang nach Luft, und seine Augen waren seltsam leer, als er in den Himmel emporstarrte.
»Oscar, nein. Nein!« Das durfte nicht geschehen. Das durfte nicht real sein. Mit zitternden Fingern schob sie einige Strähnen seines dunkelblonden Haars aus seinen Augen. Er zog die Brauen zusammen und Qual lag in den Falten auf seiner Stirn. Dann ergriff er mit seiner blutverschmierten Hand ihre Finger.
Sie schluchzte auf. »Nein, Oscar. Ich liebe dich. Du darfst nicht … du darfst nicht sterben.«
Er begann zu husten und Blut spritzte aus seinem Mund. Camille wischte es mit dem Ärmel weg, aber mehr Blut folgte.
»Nein«, rief sie. »Oscar!«
Oscars vom Blut glitschige Hand entglitt ihren Fingern und schlug auf dem Boden auf. Seine Lippen zogen sich nach oben, beinahe zu einem Lächeln, aber mit seinem Grinsen schaute er direkt durch sie hindurch. Sein Körper erschauerte und er hörte auf zu zucken.
»Oscar!« Sie keuchte. Panik stieg in ihr auf.
Sie sprang auf die Füße und stürzte sich auf McGreenery, das Messer, das Oscar ihr keine zehn Minuten zuvor gegeben hatte, immer noch in der Hand. Sie überraschte McGreenery mit ihrer Entschlossenheit und rammte ihm die Klinge in die Schulter. Er knurrte und schlug ihr ins Gesicht, sodass sie zu Boden fiel.
»Vorsicht, Camille. Das ist genau das Verhalten, das ihren geliebten irischen Affen getötet hat.« Er zuckte zusammen, als er das Messer herauszog und beiseitewarf.
In ihr war etwas zerbrochen. Ihre Kehle, ihr Herz, ihre Lungen, ihr Magen waren taub. Sie sah Oscar an, der reglos dalag, das Blut, den leeren Ausdruck in seinen immer noch geöffneten Augen. Nicht tot. O Gott, nein, er konnte nicht tot sein.
»Fesselt sie«, befahl McGreenery. Einer der Matrosen der Tarnkappe riss ihr die Hände hinter den Rücken und band sie hastig zusammen. Ein anderer Matrose fesselte Ira und trat ihm dann noch in den Bauch.
Samuel trat vor McGreenery hin. »Du hast gesagt, du wolltest herkommen, um ihnen zu helfen.«
McGreenery schaute an seinem Sohn vorbei, während er sich ein Taschentuch auf seine blutende Schulter presste. Camilles Hass auf McGreenery war so tief und wild, dass kein Tod zu grausam oder zu schmerzhaft für ihn gewesen wäre.
»Willst du den Stein oder willst du ihn nicht?«, fragte McGreenery.
»Nicht so«, antwortete Samuel.
McGreenery wandte sich von ihm ab und sagte zu einem seiner Männer: »Fesselt ihn ebenfalls.«
»Was soll das?«, rief Samuel, als der Matrose ihn zu Boden rang. »Ich bin dein Sohn!«
McGreenery verdrehte die Augen und blickte zu dem aufklarenden Himmel empor. »Du jämmerlicher kleiner Narr, du bist nicht mehr als ein Fehler.«
Mit dem Fuß stieß McGreenery Oscar an und spähte auf ihn hinab.
»Lassen Sie ihn in Ruhe!«, schrie Camille, aber McGreenery kicherte nur.
»Meine Liebe, wenn Sie nicht so eine Nervensäge wären, würde ich es in Betracht ziehen, Sie mitzunehmen. Ihr feuriges Wesen könnte in anderer Hinsicht vergnüglich sein.«
Camille mühte sich, das Seil um ihre Handgelenke zu lockern, was aber nur dazu führte, dass es in die alten Seilwunden von der Juggernaut schnitt.
Sie spuckte ihm vor die Füße. »Lieber würde ich meine Chancen bei den Bestien ausprobieren.«
McGreenery kicherte abermals. »Seien Sie vorsichtig mit dem, was Sie sich
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