Der Duft des Meeres
immer nicht erreicht hatte. Seine Pracht wurde größer, je näher Camille kam. Er hatte mindestens die Größe eines menschlichen Kopfes, und sein Blau zitterte auf die gleiche Weise, wie die Oberfläche der Karte gezittert hatte, wie ein See, den ein hüpfender Stein aufwühlte. McGreenery, der nur eine Armeslänge davon entfernt war, starrte den Stein wie verzaubert an. Seine Männer waren zu abgelenkt, um zu bemerken, dass Camille hinter einigen Felsbrocken weiter herunterstieg.
Ihr Blick wanderte über einen anderen kleineren Stein ähnlich denen, die den Umandu umrahmten. Er lag auf dem Rand der ovalen Platte, als sei er vom Altar gerollt. Seine glatt geschnittene dreieckige Form erregte ihre Aufmerksamkeit, ebenso wie sein weicher bernsteinfarbener Schimmer. Der Stein hatte etwas so Vertrautes.
Camille griff vorsichtig in ihre Tasche. Sie entfaltete das Leder, und der bernsteinfarbene Blitz, der nicht mehr erschienen war, seit sie die Karte das erste Mal in der Hand gehalten hatte, verblüffte sie abermals. Er rollte über die Oberfläche und entzündete erneut die verborgenen Buchstaben. Ihr Blick fiel auf die erste Zeile: Lass dich nicht von dem Ersten täuschen, was du siehst, der Umandu ist nur für den Würdigen sichtbar.
Sie drehte die Karte mit zitternden Händen um. Auf der Rückseite waren die beiden Dreiecke. Wann immer Oscar die Karte entrollt hatte, hatte sie das seltsame Symbol gesehen, aber sie hatte nie verstanden, was es bedeutete. Jetzt erstrahlte das obere der aneinandergefügten Dreiecke in demselben leuchtenden Bernsteinton wie der Stein.
McGreenery hatte den falschen Stein! Eine Täuschung. Neu erwachte Hoffnung trieb sie aus ihrem Versteck. McGreenery und seine Männer drehten die Köpfe zu ihr herum, als sie vor den dreieckigen Stein sprang. Sie wollte ihn noch nicht berühren, weil sie immer noch Angst hatte vor der Entscheidung ihres Herzens.
Sofort stürmten seine vier Männer in ihre Richtung.
»Achtet nicht auf sie!«, rief McGreenery. Die Männer zogen sich zurück. »Sie ist jetzt bedeutungslos. Sie haben es in letzter Zeit geschafft, aus vielen brenzligen Situationen zu entkommen, nicht wahr, Camille?«
Sie hielt den Stein hinter ihrem Rock verborgen.
»Habe ich Ihnen nicht geraten, dass Sie den Stein vergessen sollen? Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass er mir gehören würde? Sehen Sie sich nur an, was Sie verloren haben.« Er warf den Sack über den kunstvollen blaugrünen Stein, zog eine Schnur um die Öffnung des Sacks fest zusammen und hob den Stein von seinem Ruheplatz, ohne einen einzigen Finger daraufzulegen. »Und sehen Sie sich an, was ich gewonnen habe.«
Seine Matrosen lachten mit ihm. Camille entdeckte ihren Angreifer mit dem zotteligen Bart. Eine faustgroße Prellung von Samuels Stiefel verfärbte seinen Kiefer. Camille betrachtete verstohlen die Treppe, konnte aber Ira oder Samuel nicht sehen. Sie richtete ihren Blick wieder auf McGreenery, nur dass diesmal sie diejenige war, die lächelte.
»Ich erinnere mich daran, was Sie gesagt haben. Aber ich habe die echte Karte.« Sie hielt sie hoch, damit er sie sehen konnte, während die zweite Welle von Funken, unsichtbar für alle anderen, über die Karte zurückrollte und das Rätsel auslöschte. »Samuel hat die Zeichnung für Sie kopiert, aber es gab Dinge, die die Karte Ihnen nicht gezeigt hat. Dinge, die nur der sehen konnte, der des Steins würdig ist. Und er hat noch etwas übersehen, etwas, das für wichtig zu halten er keinen Grund hatte.«
McGreenery kam um den Altar herum, und die Kordel des Sacks schnitt so tief in sein Fleisch ein, dass die Haut weiß geworden war. Camille drehte die Karte um, um das leuchtende Mal zu zeigen.
»Dies ist das Mal Umandus.« Sie trat beiseite, damit er den bernnsteinfarbenen Stein sehen konnte, der neben ihrer Ferse leuchte. Schreck ließ McGreenerys Lächeln erstarren. »Fahr zur Hölle!«.
McGreenery schleuderte den Sack mit dem falschen Stein nach ihrem Kopf. »Packt sie!«
Camille sprang aus der Bahn des durch die Luft fliegenden Sacks und warf sich über den echten Umandu, den sie mit beiden Händen umklammerte. Der Stein verströmte Hitze und einen subtilen Puls, was sie überraschte. Sie verstand sofort, dass der Umandu nicht einfach ein Stein war – er war eine Lebenskraft. Und jetzt musste sie wählen, zu wem sie sie schicken würde.
Wie die Vision von ihrem Vater, die früher gekommen war, schossen neue Bilder durch ihren Kopf, wie Seiten eines offenen
Weitere Kostenlose Bücher