Der Duft des Meeres
sie ihm kam, umso mehr verzogen sie sich zu einem Lächeln.
»Ich denke, sie geben voreinander an. Es spielt ohnehin keine Rolle. Es wäre sinnlos, wenn sie mit mir flirten würden«, sagte sie und trat zu ihm. Seine Anwesenheit hatte auch eine Wirkung auf ihren Herzschlag, er beschleunigte sich rasend schnell.
»Es ist niemals sinnlos, mit einem schönen Mädchen zu flirten. Vor allem einem, das nicht verheiratet ist. Noch nicht « , betonte er.
Aus den azurblauen Wellen spritzte Gischt bis zu ihnen herauf und legte sich auf ihre heißen Wangen. Sie schmeckte Salz auf den Lippen, als sie lächelte, und schaute auf das Stück Tau in ihren Händen hinab, unsicher, wie sie reagieren sollte.
Eine kraftvolle Stimme von hinten wischte ihr das mädchenhafte Lächeln vom Gesicht.
»Und ich bin froh, dass du klug genug bist, es nicht zu versuchen, Oscar.«
Als sie sich umdrehte, sah sie ihren Vater die Kajütstreppe hinaufkommen. Oscar straffte sich und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Er nickte Camille zu.
»Miss Rowen«, sagte er, und seine Wangen waren wieder unbewegt. Er kehrte an seinen Platz am Steuerrad zurück.
Ihr Vater gesellte sich zu ihnen und nahm ihr das Stück Tau aus den Händen. Dann sah er sie mit hochgezogenen Brauen an und hielt den Hanf hoch.
»Er hat recht, du kennst bereits jeden Knoten.«
Er musste sich auf der Kajütstreppe versteckt haben, wenn er diesen Teil des Gesprächs auch mit angehört hatte.
»Du darfst die Männer nicht ermutigen. Sie könnten beginnen zu denken, dass sie eine Chance bei dir hätten, und Randall eifersüchtig zu machen, kannst du dir nicht leisten. Oscar hat recht. Du bist nicht verheiratet, noch nicht. «
Camille unterdrückte einen Seufzer und streckte die Hand aus. Er gab ihr das Seil zurück.
»Wir legen heute Abend in Lahaina an«, sagte er. »Wirst du mit mir an Land zu Abend essen?«
Instinktiv schaute sie zum Bug des Schiffs hinüber und erwartete, Land zu sehen. Lahaina war zauberhaft, warm und tropisch, und nichts, was sie je gesehen hatte, kam an die Schönheit seiner Strände heran.
»Natürlich«, antwortete Camille. »Ich freue mich auf etwas Frisches zum Essen.«
William beäugte ihr Kleid und drohte ihr spielerisch mit dem Zeigefinger. »Ich bin ein nachsichtiger Kapitän und Vater, aber nicht so nachsichtig.«
Sie blickte auf ihr Kleid hinab, das feucht war von der Gischt.
»Und würdest du ausnahmsweise einmal Schuhe anziehen?«, fragte er mit geheuchelter Verärgerung, als er davonging. Sie eilte zur Kajütstreppe und stellte ihre nackten Füße auf die Stufen. Wie die Matrosen kleidete Camille sich schlicht, mit wenigen Schichten und immer in helle Stoffe, die die Sonne besser reflektierten. Sie zog es außerdem vor, barfuß zu gehen, denn die Sohlen ihrer Füße waren so widerstandsfähig wie die Ledersohlen eines jeden Stiefels. Sie liebte ihre langen dünnen Füße und Zehen, goldbraun von der Sonne, und sie mochte das Gefühl der rauen Schiffsbretter unter ihren Sohlen.
Auf den Stufen der Kajütstreppe, die Hände fest um die Seilgeländer gelegt, hörte Camille ein paar Gesprächsfetzen der Seemänner vom Vorschiff herüber.
»… und mit einem explosionsartigen Aufspritzen von Wasser durchbrachen acht Tentakel die Oberfläche, so hoch wie das Besansegel, sie reichten vom Bug bis zum Heck. Jeder Saugnapf war dicker als das Steuer, und als sie herunterkrachten, schlugen sie vier Männern die Köpfe ab.«
Ein heiseres Murmeln drang durch die große, spitz zulaufende Kajüte am Bug des Schiffs, in der die Mannschaft in schmalen Kojen schlief, von denen jeweils drei übereinanderhingen und die sich um einen runden bauchigen Ofen drängten. Camille hielt inne, um auf die Geschichte des Seemanns zu lauschen, und wünschte, sie hätte den Anfang mitbekommen.
»Die Krake hat das Schiff in einem Stück verschlungen, ist wieder in die Tiefe getaucht und hat nicht einen Span Treibgut zurückgelassen.«
Ein Schnauben durchbrach das ehrfürchtige Schweigen. »Wenn die Krake alle gefressen hat, wie hast du dann von der Geschichte gehört?«
Camille verzog das Gesicht, als sie Lucius Drakes markante Stimme hörte, die die Geschichte ruinierte.
»Der Captain sieht es nicht gern, wenn wir Geschichten erzählen«, fügte ein anderer Mann hinzu.
»Das gilt doch nur, wenn das Mädchen in der Nähe ist, sonst nicht«, erwiderte der Geschichtenerzähler.
Camille hielt den Atem an und riss die Augen auf. Es stimmte, dass ihr Vater
Weitere Kostenlose Bücher