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Der Duft des Meeres

Der Duft des Meeres

Titel: Der Duft des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angie Frazier
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die er mit ihrem Vater auf See verbracht hatte, hatten seine Haut bereits gegerbt und dünne Linien um seine Schläfen gezeichnet, sie ließen ihn älter wirken als seine neunzehn Jahre. Aber er war trotzdem attraktiv, auf eine raue, unverwüstliche Art.
    Hitze schoss ihr in die Ohren, als Oscar sich von den verdunkelnden Wolken abwandte und sie dabei ertappte, wie sie ihn anstarrte.
    »Es gefällt mir nicht, Geheimnisse vor dir zu haben, Camille.« Ihr Herz tat einen Satz, wie es das immer tat, wenn er sie bei ihrem Vornamen nannte. Er tat das stets nur dann, wenn sie allein waren. In Anwesenheit anderer, an Land wie auf See, sprach er sie förmlich mit »Miss Rowen« an.
    »Dann sag mir bitte, von wem der Brief ist«, bat sie.
    Er zog eine schwarze Strickmütze aus seiner Jackentasche und setzte sie sich auf den Kopf.
    »Du weißt, dass ich das nicht kann.« Er machte sich wieder auf den Weg nach unten. Inzwischen war etwas Wind aufgekommen. Sie stand auf, hielt sich am Hauptmast fest und ließ sich ebenfalls durch das Einstiegsloch nach unten gleiten. Mit den Zehen tastete sie nach dem ersten Ring.
    »Nicht dass du auf mich hören wirst, aber es werden durchaus Schuhe in deiner Größe hergestellt«, rief Oscar von unten.
    Camille ließ sich Ring für Ring hinab. Das Metall war feucht vom Nieselregen. Ihre Zehen bogen sich um jeden Ring, wo die Sohlen eines Schuhs vielleicht abgerutscht wären. Die Gewitterwolken erregten ihre Aufmerksamkeit, als ein gezackter weißer Blitzstrahl hindurchzuckte. Der Wind, der jetzt von Norden wehte, wurde stärker. Oscar hatte recht gehabt. Der Sturm kam in ihre Richtung.
    Camille schaute nach unten. Oscar stand auf dem Deck und sah besorgt aus, während er die Unwetterfront musterte. Sie kletterte nun die Webleinen hinunter und spähte immer wieder zu den Wolken hinüber. Dann landeten ihre Füße auf dem Deck.
    »Dein Vater würde wollen, dass du nach unten gehst.«
    Eine Strähne löste sich aus ihrem Zopf und wehte ihr in die Augen. Auf den Decks war es still geworden, die Wache für den Abend ausgedünnt.
    »Und was mein Vater will, bekommt er auch«, seufzte sie.
    Es war nicht klug, vor einem seiner Leute etwas Negatives über ihren Vater zu sagen, aber bei Oscar hatte sie das Gefühl, keine Rücksicht nehmen zu müssen. Das war eine Freiheit, die sich manchmal etwas gefährlich anfühlte, vor allem wenn sie sich gestattete, seine Gesellschaft zu sehr zu genießen. Er ist ein Seemann , rief sie sich ins Gedächtnis. Er gehört der See.
    Die vorwitzige Haarsträhne schlug ihr einmal mehr in die Augen. Mit einer schnellen, gezielten Handbewegung strich Oscar sie ihr aus dem Gesicht. Seine Fingerspitze hinterließ eine Spur aus Feuer auf ihrer Wange. Camille hob die Hand, um ihm zu helfen, die Strähne zurückzuschieben, und ihre Finger trafen sich. Sie wusste mit Bestimmtheit, dass das Blut wieder in ihre Ohren geschossen war.
    Oscar ließ den Arm sinken, ging zur Reling und legte seine starken Hände um das geschnitzte Holz.
    »Er ist es gewohnt, dass die Dinge nach seinem Willen geschehen«, sagte Oscar. Seine Stimme war leise und nur für ihre Ohren bestimmt. Camille trat neben ihn.
    »Hast du immer getan, was er von dir verlangt hat?« Sie war darauf bedacht, nicht schnippisch zu wirken.
    Seine Knöchel wurden weiß, als er die Reling fester umfasste, als wolle er etwas zurückhalten. Etwas für sich behalten.
    »Nein.«
    Sie hatte nicht erwartet, dass er antworten würde, und erst recht hatte sie keine negative Antwort erwartet.
    »Nein? Das glaube ich nicht. Was hast du getan, das gegen seine Wünsche war?«
    Oscar war seit dem ersten Tag ihres Vaters Schatten gewesen. Er hatte William Rowen mit der Hingabe eines eifrigen Lehrlings beobachtet und ihm gehorcht.
    Oscar hatte aufs Wasser gestarrt, auf die sich auftürmenden Wellen. Jetzt schaute er sie an und bedachte sie mit einem Blick, der so stark und eindringlich war, dass sie sich völlig hilflos fühlte.
    »Er hat mich gebeten, keinen Umgang mehr mit dir zu pflegen, Camille«, antwortete er immer noch gedämpft. Camilles Augen wurden feucht vor Demütigung und Grauen. Ihr Vater hatte auch mit Oscar gesprochen. Sie wischte sich die verschwitzten Hände an ihren Hosen ab.
    »Aber offensichtlich«, fuhr Oscar fort und beugte sich zu ihr vor, »habe ich nicht auf ihn gehört.«
    Sein Blick wanderte wieder auf den Ozean. Camille stieß die Luft aus. Dies war mehr als demütigend. Ihr Vater konnte das nicht tun. Er konnte

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