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Der Duft des Meeres

Der Duft des Meeres

Titel: Der Duft des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angie Frazier
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ihrer Schläfe. Die aufgerissene Haut brannte, und als sie die Hand herunternahm, bedeckte etwas Dunkles ihre Fingerspitzen.
    »Wir müssen meinen Vater finden!«, rief sie. Wasser schoss ihr in den Mund und erstickte die Worte. Sie verschloss die Augen vor den Wänden aus Wasser, die über ihnen aufragten. Hinter ihren Lidern explodierte ein Feuerwerk magentafarbener Lichter. Camille war noch nie in Ohnmacht gefallen, aber in diesem Moment spürte sie, dass sie das Bewusstsein verlor. Ein schrilles Klingeln in ihren Ohren übertönte den Wind. Ein weiches Kissen von Schatten legte sich um sie, zog sie hinweg, weg von dem Beiboot und weg von ihrem Vater, der immer noch irgendwo in dem Sturm war.

Kapitel 6

    Tastende Hände zogen und rissen an Camille und holten sie aus ihrer Bewusstlosigkeit. Ihrem Willen entzogen blieben ihre Arme und Beine schlaff. Was geschieht mit mir? Sie versuchte, die Augen zu öffnen, aber ohne Erfolg. Selbst ihre Lider wollten nicht gehorchen. Sie hörte Stimmen an ihrer Seite – Männerstimmen. Hände packten Camille unter den Armen, und andere Finger drückten und zogen an ihren Fersen, bis ihre Knöchel brannten. Der Gestank von Schweiß und Teer und dem geschrubbten Holz eines Schiffs drangen in ihr Bewusstsein. Menschen trugen sie, aber an Bord welchen Schiffs? Ein brennender Schmerz durchschoss ihren Schädel, von ihrer Schläfe bis zu ihren Augenhöhlen.
    »Legt sie dorthin«, befahl eine unbekannte Stimme. Sie landete rücklings in einem Netz, dann wurden auch ihre Füße losgelassen. Gott, sie war so ausgelaugt, so erschöpft. Eine kühle Hand presste sich auf ihre Stirn.
    »Camille?«
    Beim Klang von Oscars Stimme zwang sie sich, ein Auge zu öffnen. Sie sah seinen glänzenden, nassen Unterarm, beleuchtet vom sanften Schein einer Öllampe. Alles oberhalb seines Arms verlor sich im dunklen Kranz ihrer Wimpern.
    »Mein Vater«, versuchte sie zu sagen, aber ihr Mund fühlte sich an wie voller Baumwolle.
    »Sie ist wach«, bemerkte eine andere Stimme, die munter klang und hell war. Sie gehörte einer Frau. »Machen Sie Platz. Machen Sie schon, geben Sie ihr Raum zum Atmen.«
    Camilles Auge schloss sich wieder und wollte sich nicht mehr öffnen, wie sehr sie es auch versuchte. Der unablässige Schmerz hinter ihren Augen pulsierte und krampfte ihr den Magen zusammen, der wund und leer war.
    »Sie wird es überleben«, sagte die Frau, deren Stimme näher kam. »Aber sie sollte aus diesem Nachthemd herauskommen, bevor sie noch krank wird. Also, raus hier, sofort. Raus.«
    Oscars Hand glitt von ihrer Stirn. Sobald er die Hand wegnahm, fühlte Camille sich verloren in einer fremden Welt. Sie wollte ihn zurückhaben, wollte, dass er bei ihr blieb.
    »Ich bin gleich draußen«, murmelte er, aber seine Stimme verblasste, ebenso wie der ölige Geruch des Raums und das Gefühl, dass jemand sie entkleidete. Ihr Schädel brummte und einmal mehr fiel Camille ins Nichts zurück.
    »Trinken Sie«, hörte sie die zirpende Stimme der Frau. »Trinken Sie aus, Miss.«
    Camille schreckte aus dem Schlaf hoch und sah eine geteerte Decke und eine Frau mit kohlschwarzem Haar über sich. Die Frau drückte den Rand eines Bechers an Camilles Lippen. Wasser lief ihr das Kinn herunter. Sie schluckte und hustete und Wasser tropfte aus ihrer Nase.
    »Wer sind Sie?« Camille hustete abermals. Die Frau klimperte mit dichten Wimpern, die tiefliegende blaue Augen beschirmten. Sie lächelte. Ihre Zähne waren geschwärzt und etliche fehlten.
    »Ich bin Daphne«, antwortete sie. »Sie waren den größten Teil des Tages bewusstlos.«
    Camille versuchte, sich aus der Hängematte zu erheben, die an zwei Haken in der Decke hing. Daphne drückte sie sanft wieder zurück.
    »Ich bezweifle, dass Ihre Beine Sie tragen werden.«
    »Wo bin ich?«, fragte Camille und drückte mit den Fingerspitzen auf ihre bandagierte Schläfe. Die weiche, geschwollene Haut darunter protestierte mit stechendem Schmerz. Camille schaute an sich herab und sah, dass sie nichts anderes trug als ein schlichtes Korsett, geschlossen mit den allernötigsten Haken und Ösen, und dazu baumwollene Kniehosen. Aber nicht ihre eigenen. Schockiert zog Camille die Decke wieder über sich.
    »Wir haben euch bei Tagesanbruch entdeckt, jawohl. Euch drei in diesem kleinen Boot, wie ihr einfach übers Meer getrieben seid. Wir sind auf der Londoner. « Daphne wrang lauwarmes Wasser aus einem Tuch und drückte es auf Camilles Wange. Die Ärmel ihres Kleides, die an den

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