Der Duft des Meeres
diesen Dingen wahrzunehmen.
Camille riss eine purpurne Blume und ein weißes Gänseblümchen aus der Erde. »Natürlich vermisse ich ihn. Aber ich hoffe, dass ich ihn mit dem Stein nicht allzu lange werde vermissen müssen.«
»Ich meinte nicht deinen Vater, Camille. Ich meinte Randall.«
Sie holte tief Luft, schockiert darüber, dass sie so lange nicht mehr an ihren Verlobten gedacht hatte. Wie viele Tage war es her? Eine volle Woche, vielleicht länger.
»Oh. Nun … ich nehme an, ich vermisse ihn, ja.«
Oscar zog eine Augenbraue hoch und lachte über ihren offensichtlichen Mangel an Überzeugung.
Camille zuckte die Achseln. »Nun ja, es ist eine Menge passiert, und im Moment ist meine Rückkehr nach San Francisco nichts, womit ich mich beschäftige.«
Oscar nickte und kaute an der Spitze seines Grashalms.
»Es ist nicht so, dass Randall nicht ein großartiger Mann wäre«, sagte sie und spielte mit den Blumen in ihren Händen herum. Von den Wurzeln fiel Erde auf ihren Schoß. »Er ist freundlich und fürsorglich und gut aussehend und ein hervorragender Geschäftsmann.«
Oscar nickte weiter.
»Und ich bin mir sicher, dass er einen guten Ehemann abgeben wird«, fügte sie hinzu. Sie wusste, dass er wirklich all das war. Wenn all diese Eigenschaften nur das wettmachen würden, was sie nicht empfand, wenn sie mit ihm zusammen war.
»Da bin ich mir sicher«, wiederholte Oscar. Hatte er sie verspottet? Sie glaubte, eine Spur Sarkasmus wahrgenommen zu haben. All dieses Gerede über Randall machte sie nervös.
»Warum fragst du?«
»Ich habe nur überlegt, ob du dein Zuhause vermisst«, antwortete Oscar und warf den zerfaserten Grashalm hinter sich.
»Vermisst du es?«, fragte sie und schämte sich, Oscar wissen zu lassen, wie wenig sie sich wünschte zurückzukehren. Oscar dachte einen Moment nach, riss einen weiteren Grashalm heraus und rollte ihn zwischen den Fingern.
»Nein«, sagte er mit absoluter Gewissheit. »Alles, was ich vermissen würde, sitzt hier neben mir.«
Jeder Knochen in Camilles Körper verwandelte sich unter Oscars sanftem und so überaus offenem Blick in Gummi. Er würde sie vermissen. Sie schaute in seine graublauen Augen, die umrahmt wurden von dichten honigfarbenen Wimpern – waren sie immer so voll gewesen? Der Rücken seiner Nase war leicht nach links versetzt, vielleicht gebrochen in einem Kampf, nachdem er aus dem Kutscherhaus ihres Vaters in eine kleine Wohnung direkt am Hafen von San Francisco umgezogen war. Sie hatte diese entzückende Unvollkommenheit noch nie zuvor bemerkt. Sein Blick wanderte über ihre eigenen Züge, berührte die Wunde an ihrer Schläfe und verweilte schließlich auf der herzförmigen Fülle ihrer Lippen.
Oscar behielt seinen durchdringenden Blick bei. »Wir werden wahrscheinlich nicht rechtzeitig zu deiner Hochzeit wieder zurück nach Hause kommen.«
Sie stellte sich das Hochzeitskleid vor, das in ihrem Schrank hing. Den Schleier. Die Schuhe. Selbst die Perlenschnüre, die alle bereitlagen und auf ihre Rückkehr warteten. Rückkehr. Das schwere Wort lastete auf ihr, während Ira weiterschnarchte und Oscar sie weiter auf eine Weise musterte, die ihr das Gefühl gab, fesselnd und schön zu sein.
Camille stand auf, und sie war sich nicht sicher, ob sie es war, die auf ihn zugerutscht war. Seine Lippen schienen tatsächlich näher gekommen zu sein.
»Randall wird es verstehen, da bin ich mir sicher. Er ist ein sehr vernünftiger Mensch«, sagte sie, und ihre Worte überstürzten sich.
Oscar machte Anstalten aufzustehen. »Wohin gehst du?«
»Nein, bitte, bleib sitzen«, sagte sie. »Ich … ich muss nur, ähm, die Bäume benutzen.« Camille ließ ihre fast leere Feldflasche klappern, um ihre Ausrede zu unterstützen. Sie drehte sich im Kreis, bis sie eine Gruppe von Bäumen entdeckte. Sie musste irgendwo anders hin, als versteckt zwischen den Blumen zusammen mit Oscar zu sitzen. Irgendwo, wo sie versuchen konnte, sich einzureden, dass Randall vielleicht eines Tages in der Lage sein würde, sie mit der gleichen Intensität anzusehen, wie Oscar es eben getan hatte.
Oscar setzte sich wieder hin und Camille zertrampelte das Gras auf dem Weg in die Sicherheit der Bäume. Erneut wallten Schuldgefühle in ihr auf, als sie zu Oscar zurückschaute, der ihr nachsah. Camille würde ihre eigene Hochzeit verpassen – und das kümmerte sie nicht im Mindesten.
Kapitel 14
Auf den ersten Blick fand Camille Port Adelaide enttäuschend. Es war ganz und gar nicht
Weitere Kostenlose Bücher