Der Duft des Meeres
sah Camille und Oscar an. »Was wollen sie von Ihnen?«
Es war eine zu lange Geschichte, um sie mitten auf der Straße zu erzählen. Ira machte sie miteinander bekannt, dann führte sie Monty in sein Heim, eine kleine Strandhütte direkt hinter dem letzten Kai. Oscar erzählte ihre Geschichte, wobei er natürlich den Teil über den Umandu ausließ, noch bevor sie Montys Haus erreichten. Die Hütte war einfach auf einen Haufen massiver Steine gesetzt, die höchstwahrscheinlich aus dem Flussbett geschleppt worden waren. Camille konnte beinahe spüren, wie das aus zwei Zimmern bestehende Gebäude wackelte, als sie eintrat.
Meersalz hatte die Böden und die Glasfenster weiß gefärbt. Mit Essensresten verkrustetes Geschirr und verrostete Töpfe lagen auf dem Küchentisch verstreut. Unord-nung füllte jede Ecke und Kochfett hatte den Herd und die Wand dahinter gelb gefärbt.
»Stella lässt es mit der Hausarbeit wohl langsam angehen«, bemerkte Ira, als er die Tür schloss. »Darf ich ihr wenigstens Hallo sagen?«
Monty riss seine Stiefel von den Füßen und warf sie beiseite.
»Viel Glück dabei, sie zu finden. Es scheint, sie hat einen Hang zu Herzensbrechern und Dieben.«
Camille blieb zaudernd an der Tür stehen. Monty beäugte sie. »Das Haus wird nicht aufklappen und Sie beißen, junge Frau. Setzen Sie sich.«
Sie trat weit genug in den Raum hinein, um ihren Gastgeber zu beruhigen. »Mr. Monty, ich weiß Ihre Hilfe zu schätzen.«
Monty warf einen Holzscheit in den Herd und schlug die gusseiserne Tür zu.
»Ira hat mir noch nicht einmal erzählt, welche Art Hilfe er mir abzuschwatzen plant. Also, was wollen Sie? Geld?«
Ira warf seinen Hut auf den Tisch. Er landete auf einer halb geleerten Flasche Schnaps.
»Nicht direkt«, antwortete er. »Sobald wir diese Karte haben, von der Oscar dir erzählt hat, werden wir schnell weiterziehen müssen. Entweder über Land oder über Wasser. Ich bin mir noch nicht sicher, auf welche Weise.«
»Warum geht ihr dann nicht gleich die verdammte Karte holen?«, fragte Monty.
Camille schloss die Augen gegen aufwallende Kopfschmerzen.
»Kennen Sie Caroline Rowen?«, fragte sie. Sie hatten nicht darüber nachgedacht, wie sie ihre Mutter finden würden, sobald sie Port Adelaide erreicht hatten, eine Stadt, die groß genug war, um die Suche nach ihr kompliziert zu machen. Camille hatte sich unvernünftigerweise vorgestellt, auf das Haus ihrer Mutter zu stoßen, als sei es das einzige in der Stadt. Wie naiv, tadelte sie sich, und enttäuscht fragte sie sich, ob sie auch in Bezug auf andere Dinge naiv war. McGreenery hatte ziemlich erheitert geklungen, als sie von ihren Plänen berichtete, ihren Vater ins Leben zurückzuholen, als würde es nicht so funktionieren, wie sie es erwartete.
Monty kratzte sich in den dunklen Haaren. »Rowen? Der Name sagt mir nichts.«
»Vielleicht hat sie ihn geändert«, warf Oscar ein.
»Wie wäre es mit Greer?«, fragte sie, weil das der Mädchenname ihrer Mutter war. Aber wieder schüttelte Monty den Kopf.
»Wir werden sie schon finden«, versicherte Oscar ihr, während Monty nach Iras Hut griff und ihn ihm hinwarf. Monty entkorkte die Schnapsflasche und nahm einen großen Schluck.
»Ohne eine Adresse? Viel Glück«, sagte er, dann stieß er einen kräftigen Rülpser aus.
Camilles Kopfschmerzen verstärkten sich. Oscar zog den Kopf ein, um sich nicht an der Decke zu stoßen, und spähte durch ein trübes Fenster nach draußen.
»Dann sollten wir gehen«, stellte er fest. Ira, der auf einem der klapprigen Stühle saß, hatte sich zurückgelehnt und kippelte auf zwei Beinen.
»Viel Glück bei der Suche, mein Freund«, sagte er, verschränkte die Arme hinterm Kopf und schloss die Augen. Oscar stieß im Vorbeigehen gegen die Rückenlehne von Iras Stuhl und die beiden vorderen Beine krachten auf den Boden. Iras Hut flog ihm vom Schoß. Oscar hob ihn auf und gab ihn ihm zurück.
»Damit sind auch Sie gemeint, mein Freund. «
Im Zentrum von Port Adelaide herrschte dichtes Gewühl. Kunden feilschten an jedem Marktzelt um niedrigere Preise, Hühner und Hennen beklagten gackernd ihr Schicksal, weitere Ochsenkarren wurden beladen, und Kinder lachten und bewarfen einander mit Steinen … Camille konnte sich kaum auf ihre Suche konzentrieren.
Sie und die beiden Männer wanderten an Reihen von Lagerhäusern am Rand des Wassers vorbei und die Häuser waren genauso salzbefleckt wie das von Monty. Der Gestank von Urin, Mist, Körperausdünstungen und
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