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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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herumlief. Sie wollte sich gerade umdrehen, um keinen falschen Eindruck zu erwecken, als einer von ihnen die Hand hob und ihr rasch zuwinkte. Es konnte unmöglich Andrés sein, denn dieser Mann war zu klein und zu stämmig. Aber vermutlich würde Andrés sich auch niemals hierherwagen. Hatte er einen Freund geschickt? Leider bestand auch die Möglichkeit, dass Alice die anzügliche Einladung eines völlig Fremden annahm. Eine Weile blieb sie ratlos stehen, dann sah sie, wie das Winken wiederholt wurde. Das Zeichen schien ihr zu energisch und gleichzeitig zu unpersönlich, um ein plumper Verführungsversuch zu sein. Alice setzte sich in Bewegung, hielt aber sicheren Abstand von den drei Männern, für den Fall, dass jemand sie beobachtete. Es ging immer weiter in die Wildnis hinein. Mariana blieb dicht hinter ihr, als habe sie sich Rosarios Warnungen zu Herzen gekommen. Alice wurde zunehmend unwohl, je kleiner die Hazienda hinter ihr schien. Es stand fest, dass Rosario niemanden beauftragt hatte, sie zu beobachten, denn in diesem Fall hätte man sie sicher schon längst zurückgeholt. Sie ging immer weiter, aus Entschlossenheit und Trotz, auch als die letzten vertrauten Umrisse des weißen Gebäudes hinter einem Hügel versanken. Niemand sollte behaupten können, dass sie sich leicht entmutigen ließ. Die Indios schienen ihre Schritte zu verlangsamen, denn Alice konnte sie einholen, doch da sie sich nicht nach ihr umdrehten, zog sie es vor, einen gewissen Abstand zu wahren. Schließlich tauchte zwischen zwei knorrigen Eichen eine kleine Lehmhütte auf, die ebenfalls einen unbewohnten Eindruck machte. Die Indios blieben vor der Eingangstür stehen, luden ihre Säcke ab und sahen Alice an. Ihr Magen wurde zu einem Knoten aus Nervosität und neugieriger Erwartung.
    »Wartet hier Andrés Uk’um?«, fragte sie auf Spanisch, doch die braunen Gesichter blieben völlig ausdruckslos. Vermutlich verstanden sie nur ihre indianischen Sprachen.
    »Andrés Uk’um!«, wiederholte Alice langsam und deutlich. Einer der Männer wies mit dem Kopf zur Eingangstür der Hütte. Alice ging langsam los. Ihr wurde bewusst, dass sie in diesem Land schon zweimal in eine Falle getappt war, und sie beschloss, diesmal vorsichtig zu sein. Sie würde die Tür aufstoßen, aber aus sicherem Abstand einen Blick hineinwerfen und gleich wieder verschwinden, falls der Raum leer sein sollte. Die Männer machten keinen gefährlichen Eindruck, zwei waren schon vom Alter gekrümmt und ergraut, selbst der jüngere, kräftige dritte, der gewunken hatte, trug keine Waffe. Wichtig war nur, dass sie sich nicht wieder irgendwo hineinstoßen ließ, wo man sie einsperren konnte.
    Diesmal warteten alle ruhig, bis sie die Tür geöffnet hatte. Ein enger, fensterloser Raum tat sich vor ihr auf, in dem sie nichts erkennen konnte.
    »Andrés!«, rief sie. Als keine Antwort kam, trat sie einen Schritt zurück.
    »Er ist nicht hier. Ich gehe jetzt zu der Hazienda zurück, wo Señora Bohremann auf mich wartet.«
    Sie hatte den Namen in aller Deutlichkeit ausgesprochen, denn sie wusste bereits, welche Wirkung er in dieser Gegend zeigen konnte. Die indianischen Gesichter blieben starr. Alice drehte sich um. Sie würde jetzt einfach zurückgehen. Sobald sie den vor ihr liegenden Hügel überquert hatte, wäre auch die Hazienda wieder zu sehen. Wahrscheinlich war sie nicht länger als zehn Minuten unterwegs gewesen, und niemand würde Verdacht schöpfen.
    Hinter ihr wehte ein Windhauch. Mariana bellte. Dann legte eine Hand sich auf Alice’ Mund, und als ihr schwarz vor Augen wurde, hörte sie einen Mann gellend aufschreien.
    Ihr Kopf schmerzte, und die Zunge klebte ihr am Gaumen, als hätte sie sich am Abend zuvor betrunken. Alice streckte sich in der Erwartung, ein vertrautes Bettlaken unter sich zu fühlen, doch sie verspürte nur einen glatten Untergrund. Sie riss die Augen auf. Um sie herum waren Baumstämme zu Wänden aneinandergereiht, doch gab es genug Ritzen zwischen ihnen, damit ein wenig Tageslicht eindringen konnte. Das Dach jedoch war undurchdringlich, da die Fugen hier mit Lehm und Stroh abgedichtet worden waren. In einer Ecke dieses schlichten Raumes stand eine schmale Bank als einziges Möbelstück. Ein Stück davor bildeten drei große Steine ein Dreieck, auf dem eine Art tönerne Pfanne lag. Es musste sich um eine primitive Kochstelle handeln. Das Stechen in Alice’ Schläfen ließ glücklicherweise nach, je mehr ihr Bewusstsein zurückkehrte. Sie sah einen

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