Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
Vom Netzwerk:
Patricks Tagebuch. Er sprach mit Andrés in Palenque, und da hat er es ihm erzählt.«
    Sie spürte Schweißtropfen über ihren Nacken laufen. Aber die Lüge klang nicht schlecht, schien ihr glaubwürdiger, als zu behaupten, sie hätte den Kindheitserinnerungen des vermeintlichen Mörders ihres Bruders gelauscht.
    »Da hat der kleine Indio sich aber ganz schön wichtig gemacht! Man sollte nicht alles glauben, was Leute einem erzählen.« Elisabeth gluckste in ihre Kaffeetasse. Alice war wütend. Sie wollte gerade nach einer passenden Antwort suchen, als sie bemerkte, dass Rosario sie weiterhin sehr aufmerksam betrachtete. Erst als Alice ihren Blick erwiderte, wandte die Hausherrin sich ab.
    Sie weiß es, dachte Alice. Sie weiß, dass ich gelogen habe, auch wenn sie die Hintergründe vermutlich nur ahnen kann.
    Ihr wurde unwohl. Der Kuchen schmeckte nicht mehr.
    »Möchten Sie noch etwas Kaffee, Fräulein Wegener?«, fragte die Hausherrin. Alice nickte und bemühte sich, einen gefassten Eindruck zu machen, während Rosario selbst ihre Tasse füllte, da das Dienstmädchen gerade nicht zugegen war. Kurz trafen sich ihre Blicke über der feinen weißen Spitzendecke und den Porzellantassen auf dem Tisch. Alice spürte die unausgesprochene Warnung so deutlich, als hätte Rosario ihr eine Messerspitze an den Hals gedrückt.
    Die Besucherinnen verabschiedeten sich bald nach dem Verzehr des Apfelkuchens und traten die Heimreise an. Alice ging mit Mariana wieder in ihr Zimmer, erfreut über die Aussicht auf ein paar Stunden des Alleinseins vor dem Abendessen. Sie erwog wieder einmal eine baldige Rückkehr nach Deutschland, denn die Mauern, gegen die sie bei ihrer Suche nach der Wahrheit lief, schienen immer dicker zu werden, sobald sie glaubte, ein paar Schritte vorwärts machen zu können.
    Vielleicht war Patrick einfach von Banditen überfallen worden, was Andrés als glaubwürdige Möglichkeit angedeutet hatte. Ix Chel hatten sie vermutlich verschleppt, und falls sie noch irgendwo lebte, wäre es so gut wie unmöglich, sie zu finden. Alice blieb nichts anderes übrig, als Patricks Frau ihrem Schicksal zu überlassen. Es gab so viele Dinge, die sie zu Hause zu klären hatte. Vielleicht musste sie auch erst heimkehren, um ihren Frieden zu finden.
    Ihr war gerade der Gedanke gekommen, dass Banditen Patrick vermutlich nicht das Herz herausgeschnitten hätten, als es an der Tür klopfte. Wieder bat sie einen Gast herein. Im ersten Moment erwartete sie trotz aller Unwahrscheinlichkeit Andrés und staunte, dass ihr Herz einen winzigen Sprung der Freude tat.
    Aber es war ein sehr blasses Gesicht, das im Türspalt auftauchte, ebenfalls bebrillt, doch hagerer und älter.
    »Hätten Sie einen Augenblick Zeit für mich?«, fragte Dr. Scarsdale. Alice nickte und räumte die Papiere zusammen.
    »Ich wollte mich von Ihnen verabschieden«, begann der Archäologe. »Sobald Herr Bohremann zurück ist, breche ich nach Palenque auf.«
    Alice nickte noch einmal und nahm auf dem Bett Platz, sodass der Stuhl für ihren Gast frei war. Dr. Scarsdale setzte sich nach kurzem Zögern. Alice fand, dass er zu farblos für dieses Land wirkte, als hätte er sich die ganze Zeit vor der Sonne versteckt.
    »Ich wollte Ihnen noch mal sagen, wie sehr ich alle … Unannehmlichkeiten bedauere, denen Sie hier ausgesetzt waren. Als ich Sie nach Mexiko einlud, hoffte ich, es käme zu einem glücklichen Wiedersehen zwischen Ihnen und Ihrem Bruder. Doch es muss ein Trost für Sie gewesen sein, an seiner Beerdigung teilnehmen zu können.«
    Wieder senkte Alice zustimmend den Kopf, obwohl ihr Beerdigungen nicht viel bedeuteten, denn das Leben eines Menschen endete im Moment seines Todes. Welche Bedeutung konnte sein Leichnam noch haben? Sie hatte allerdings gelernt, dass es unklug war, anderen Menschen solche Gedanken mitzuteilen.
    »Ich hoffe, dass der flüchtige Andrés Uk’um bald gefunden wird«, fuhr Dr. Scarsdale fort. »Danach ist der Fall abgeschlossen. Sie werden vermutlich froh sein, wieder die Heimreise antreten zu können.«
    »Ich denke, es wird notwendig sein, dass ich nach Hause fahre«, gab Alice zu. Sie hatte sich darauf eingestellt, obwohl sie der endgültigen Heimkehr mit gemischten Gefühlen entgegensah. Mexiko hatte den entscheidenden Vorteil, dass Tante Grete sich dort nicht aufhielt.
    »Worum ich Sie bitten wollte.« Dr. Scarsdale räusperte sich. »Ihr Bruder war ein herausragender Zeichner und hat sehr detaillierte Bilder einiger Reliefs von

Weitere Kostenlose Bücher