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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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aufschreien. Tränen liefen ihr über die Wangen, und ihr Mund schmeckte nach Blut.
    »Ich bestimme, was jetzt geschieht, hast du verstanden? Ich lasse mich von keiner Hure mehr herumkommandieren, nur weil sie feine Manieren hat.«
    Sein Atem stank nach Alkohol. Als Alice versuchte, sich aufzurichten, trat er ihr in den Magen. Sie krümmte sich vor Schmerz. Aller Zorn war verflogen. Sie fürchtete, ein hilfloses, wimmerndes Wesen zu werden wie Modesta in ihren letzten Minuten in dieser Welt. Doch sie ahnte, dass stumme Unterwürfigkeit ihr Leben nicht retten würde, denn auch der Indianerin hatte dies nichts genützt.
    »Wenn Sie mich hier totschlagen, dann bekommen Sie Ihre Arbeit bei Dr. Scarsdale sicher nicht zurück«, sagte sie. Wieder flackerte der Hass in seinen Augen, und Alice fragte sich, warum sie Männer stets provozieren musste. Damit, dass es sie das Leben kosten könnte, hatte sie niemals ernsthaft gerechnet.
    Wieder hob Martin seine Hand. Alice fuhr wimmernd zurück, doch es nützte ihr nichts, denn ihr Kopf wurde gegen die steinerne Wand geschlagen. Kurz machte der Schmerz sie blind, dann sah sie, dass Martin ein Stück zurückgetreten war und mit gerunzelter Stirn auf sie hinabsah.
    »Ein bisschen Prügel haben noch keinem Weib geschadet, aber ich glaube, jetzt hast du genug.«
    Alice schämte sich, dass ihr Tränen der Erleichterung in die Augen schossen. Sie hatte fast vergessen, wie schnell Gewalt einen Menschen brechen konnte. Martin begann, in der Ruine herumzulaufen, als habe er alle Angst vor einem möglichen Fluchtversuch seiner Gefangenen verloren. Er hatte recht damit, denn Alice hätte sich an den Wänden der Ruine abstützen müssen, um gehen zu können.
    »Ein Weib wie du hat mich meine erste Anstellung gekostet«, sagte er. »Ich war Verwalter auf einer großen Plantage. Das war eine richtig gute Arbeit. Ich hatte ein eigenes Haus und Bedienstete. Da kam eines Tages der Patron mit seiner Familie vorbei, um sich anzusehen, wie alles vorangeht. Der hatte ein paar Kinder aus erster Ehe, aber deren Mutter war gestorben. Er hatte wieder geheiratet, so eine richtig hübsche junge Schlampe mit Goldlocken wie du. Die machte mir schöne Augen, wenn der alte Herr nicht zusah. Ich war ein Dummkopf damals und wusste noch nicht, wie falsch und verlogen ihr Weiber seid.«
    Er versetzte der auf dem Boden liegenden Tonfigur einen Tritt. Die Nase des Fledermausgesichts brach ab. Alice staunte, wie sehr die Zerstörung eines Kunstwerks sie schmerzte.
    »Ich traf mich heimlich mit der hübschen Señora, die einen fremden Namen hatte, genau wie du. Es war in einer Hütte im Wald, weit genug von der Plantage entfernt. Sie sagte, da würde uns keiner finden. Zum ersten Mal machte sie so etwas nicht, dazu wirkte sie zu gelassen. Aber diesmal hatte jemand sie verpfiffen. Entweder einer von den verfluchten Indios, der fand, dass ich ihn zu hart angepackt hatte, oder eines der Bälger. Die mochten ihre neue Stiefmama nämlich nicht.«
    Die Tonfigur erhielt einen weiteren kräftigen Tritt und flog gegen die Steinwand, an der sie abprallte und in mehrere Einzelteile zerfiel.
    »Da stürmte der Patron mit einer Pistole in der Hand in die Hütte. Ich dachte, jetzt geht es uns beiden an den Kragen, mir und der treulosen Gattin. Aber ich hatte die Verschlagenheit der Weiber unterschätzt. Die kleine Schlampe warf sich ihrem Mann heulend zu Füßen und beteuerte, ich hätte sie in eine Falle gelockt und mit Gewalt in die Hütte geschleppt. Der Trottel glaubte ihr, aber ich musste um mein Leben rennen und konnte mich nirgendwo mehr blicken lassen. Mir blieb nur dieser verfluchte Dschungel. Dieses Dreckloch von Montería, wo es nur hässliche Indio-Weiber gibt und Mücken und Schlangen und erbärmlichen Gestank.«
    Nun schlug er mit der Hand gegen die Mauer. Alice versuchte, so unauffällig wie möglich von ihm wegzurücken, damit seine blinde Wut sich nicht noch mal gegen sie richten würde. Sie zweifelte inzwischen, ob dieser Mann völlig bei Verstand war. Allerdings verschaffte diese Erkenntnis ihr keinerlei Erleichterung. Trotz der lauen Nacht im Dschungel fror sie und umklammerte ihre Knie mit den Armen, um sich selbst ein wenig tröstende Wärme zu schenken. Wie lange würde es wohl dauern, bis Martin auf die naheliegende Möglichkeit verfiel, sich an einer blonden Frau zu rächen? Sie versuchte, ruhig zu atmen, denn ihr war immer noch bewusst, dass Panik ihre Lage nur verschlimmern würde. Was wohl aus Andrés

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