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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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Ruinen fortgesetzt. Sie hatten nun den Tempel der Inschriften erreicht, der Alice besondere Aufmerksamkeit abforderte, denn sie hatte es sich zum Ziel gesetzt, die schneckenartigen Zeichen an den Wänden so akkurat wie nur möglich zu kopieren, um ein Ergebnis zu erzielen, das noch klarer war als jede Fotografie. Andrés’ Worte waren ihr in Erinnerung geblieben, und sie glaubte, auf diese Weise vielleicht einen Beitrag dazu leisten zu können, dass die Botschaft dieser merkwürdigen Schrift eines Tages verstanden wurde.
    Sie hatte in den frühen Morgenstunden mit dem Zeichnen begonnen, und erst die schwüle Hitze ließ sie erahnen, dass die Sonne bereits hoch am Himmel stand. Dennoch konnte sie nicht immer ohne eine Öllampe arbeiten, denn die Lichtverhältnisse im Tempel waren nicht gut. Mariana lag wie üblich zu ihren Füßen und genoss einen ausgiebigen Mittagsschlaf. Alice beobachtete eine winzige Eidechse, die neben dem Hund saß und die beiden riesigen Kreaturen mit großen, glänzenden Augen musterte. Ohne genau zu wissen, warum, lächelte sie das Tier an. In den letzten Tagen empfand sie immer wieder Augenblicke unerklärlicher Freude. Patricks Tod schwebte noch als Schatten über ihr, aber das Schwarz begann sich langsam in ein feines Grau zu verwandeln, das genug Licht durchließ. Ihr eigenes Leben musste weitergehen, und seltsamerweise hatte es eine Richtung genommen, die von ihr weder geplant noch angestrebt worden war, aber unerwartet bereichernd schien. Sie beugte sich vor, um Marianas Kopf zu kraulen, und schloss für einen Moment die Augen.
    »Alice!«
    Sie fuhr zusammen und riss die Augen auf. Andrés stand vor ihr. Sie kannte inzwischen jeden seiner Züge, die breiten Wangen, die feine, elegant gebogene Nase und den wachen, abwägenden Blick.
    »Ich dachte, du hast vielleicht Hunger.«
    Er hielt ihr einen Holzteller mit Tortillas und schwarzen Bohnen entgegen. Sie nahm dankbar an, denn wieder einmal hatte sie seit dem Morgen das Essen vergessen. Mariana verschlang gierig alle Bissen, die sie ihr zuwarf, obwohl Alice mit Dr. Scarsdale abgesprochen hatte, dass der Hund regelmäßig Fleisch bekam. Andrés setzte sich neben Alice und warf einen Blick auf ihren Skizzenblock.
    »Man könnte meinen, du willst die Maya-Schrift lernen.«
    »Das würde ich auch, wenn es möglich wäre.«
    Ihre Arme berührten einander. Er umschloss ihre Finger mit seiner Hand und küsste sie rasch auf die Wange.
    »Du wärest sicher eine gute Schülerin, bei diesem Eifer.«
    »Wie du weißt, war ich schon immer schrecklich ehrgeizig«, entgegnete sie lachend und biss gierig in ihre Tortilla.
    »Hier hast du noch Kaffee.«
    Andrés hielt ihr einen zerbeulten Becher aus Blech hin, wie ihn die einfachen Arbeiter im Lager benutzten. Der Kaffee enthielt keine Milch, war aber stark gezuckert, was ebenfalls dem Geschmack der Indios entsprach.
    »Warum hast du dir nicht auch einen Becher mitgenommen?«, fragte sie.
    »Weil auch ein studierter Indianer nur über zwei Hände verfügt.«
    Alice lachte.
    »Jetzt bin ich aber enttäuscht. Trotzdem biete ich dir gnädig an, dass wir zusammen nach unten gehen, damit du mir nicht beim Essen und Trinken zusehen musst. Tut mir leid, wenn ich dir nichts abgebe, aber ich habe gerade gemerkt, wie hungrig ich bin.«
    Sie biss in die zweite Tortilla.
    »Ich habe unten schon gegessen und mich dann angeboten, dir etwas zu bringen. Dass du ständig vergisst, tagsüber zu essen, hat sich bereits herumgesprochen, und das gab mir einen Vorwand, nach dir zu sehen.«
    Alice, die auch die zweite Tortilla in Windeseile verschlungen hatte, wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. Ganz leise vernahm sie im Hinterkopf Tante Gretes tadelnde Stimme, verdrängte sie aber wieder. In einem Dschungellager musste sie nicht auf gute Manieren achten.
    Andrés legte einen Arm um ihre Schultern, und sie drängte sich an ihn. Es gab nur wenige Momente, wo sie allein sein konnten, und auch diese mussten sie so kurz wie möglich halten, um keinen Verdacht zu erregen. Alice presste ihren Kopf in die warme Kuhle an seinem Hals. Er schwitzte weitaus weniger als sie selbst und wurde auch von den Mücken eher verschmäht, als sei seine Haut nur dazu geschaffen, in diesem Klima golden zu glänzen.
    Sie küssten sich wie schon hundertfach in den letzten Tagen, in Ruinen, hinter Bäumen oder im Schutz der Dunkelheit. Alice hatte sich an das Ziehen in ihrem Unterleib gewöhnt und genoss jede kurze Berührung seines Körpers,

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