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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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Es ist doch kein spanischer Name. Warum heißt sie so? Und ihre Tochter auch?«
    Andrés zögerte einen Augenblick, dann übersetzte er die Frage. Die alte Frau lachte und begann zu erzählen, und Andrés übersetzte gewissenhaft: »Sie stammt aus dem Dschungel, von einem Volk, das sich ›die wahren Menschen‹ nennt. Sie sagt, dass die älteste Tochter in ihrer Familie immer Ix Chel hieß. Warum das so ist, kann sie nicht sagen. Ihren Mann traf sie, als er verwundet im Dschungel lag. Er war aus einer Montería geflohen, und die Aufseher hatten ihn zwar gefangen, aber zurückgelassen, als sie ihn für tot hielten. Sie pflegte ihn gesund und folgte ihm schließlich in sein Heimatdorf. Seitdem lebt sie hier. Aber sie wollte, dass ihre älteste Tochter den traditionellen Namen erhält.«
    Alice blickte mit weit aufgerissenen Augen zu der Frau. Ihr war, als hätten sie soeben eine jener großen Entdeckungen gemacht, von denen Dr. Scarsdale träumte.
    »Frag sie wegen der Kette!«, drängte sie Andrés. »Du weißt schon, die Zeichnung von Ix Chel! Du dachtest, es wären Holzperlen, aber es sind vermutlich Edelsteine. Also, ich glaube, diese Kette hängt mit dem Namen Ix Chel irgendwie zusammen.«
    Andrés runzelte die Stirn, begann aber wieder mit der alten Frau zu sprechen. Diesmal lachte sie nicht, zögerte einen Augenblick und sprach dann leise, aber entschieden.
    »Sie sagt, dass sie nichts von einer solchen Kette weiß«, gab Andrés ihre Worte wieder. Alice senkte enttäuscht den Kopf. Als sie wieder aufblickte, sah sie, dass die alte Ix Chel wieder auf ihre Enkelinnen einredete. Nur kurz wurde Alice von einem weiteren Blick aus den Augenwinkeln gestreift, misstrauisch und verhalten, doch er zeugte von einem Wissen, das gerade geleugnet worden war.
    Manuel kam erst am übernächsten Tag wieder ins Dorf. Er sah müde aus. Seine hübsche Gemahlin, deren Name Maruch war, machte ein missmutiges Gesicht. Alice erfuhr von Andrés, dass Manuel das gesamte durch den Verkauf der Waren erworbene Geld noch am ersten Abend verspielt und versoffen hatte, sodass die beiden mit leeren Händen zurückkehrten. Der Kazike hielt seinem Sohn eine Strafpredigt, die durch das ganze Dorf zu hören war. Bald darauf ertönte Geschrei in der Hütte, doch es stammte aus einer weiblichen Kehle. Maruch kam wenige Minuten später weinend herausgerannt, presste eine Hand auf ihren Mund, aus dem Blut tropfte, und verschwand hinter ein paar Büschen, um zum Bach zu gelangen.
    »Er hat sie geschlagen!«, rief Alice, die wieder draußen bei den webenden Frauen saß. Andrés hatte kurz mit dem Kaziken geredet und wandte sich dann ihr zu.
    »Als Mann hat er nach dem Verständnis der Leute hier ein Recht dazu. Er meint, sie sei ihm in den Rücken gefallen und hätte ihn angeschwärzt. Es ist eine Angelegenheit unter Eheleuten.«
    »Großartig!«, zischte Alice. »Wirklich großartig!«
    Sie kochte vor Wut und wusste nicht, wie sie sich beruhigen konnte. Dies war nicht ihr Volk, und als Fremde hatte sie kein Recht auf Einmischung. Sie erinnerte sich nur zu gut, wie oft ihr eigener Vater, ein angesehenes Mitglied der besseren Gesellschaft, zugeschlagen hatte, bei Dienstboten und Familienmitgliedern. Das schlichte Dorf mit seiner ursprünglichen Lebensart verlor schlagartig an Zauber, denn die Menschen hier waren nicht besser als die im Rest der Welt, nur ärmer.
    Wieder spürte Alice den Blick der alten Ix Chel auf sich ruhen und empfand ihn als überraschend verständnisvoll. Die alte Frau schien ihr wortlos mitteilen zu wollen, dass manche Dinge nicht zu ändern waren, die Welt deshalb aber nicht unterging.
    »Manuel!« Die schrille Stimme der Alten hallte über den Dorfplatz. Ein paar Hühner schlugen aufgeregt mit den Flügeln. Die Schweine wühlten unbeirrt in der Erde weiter. Der Kazike wandte nur kurz den Kopf, um seine Frau mit einem hoheitsvollen Blick zu streifen, der keinerlei Empfindungen verriet. Die Enkelinnen webten schweigend weiter, und auch alle anderen gingen ihrer Arbeit nach, als sei nichts Ungewöhnliches geschehen.
    »Manuel!«
    Diesmal folgte ein unverständlicher Wortschwall, dem der Ton wüster Beschimpfungen anhaftete. Die alte Ix Chel erhob sich und schaffte es, allein durch ihre Haltung würdevoll zu wirken. Eine Weile schalt und zeterte sie in die schwüle Luft hinein, obwohl niemand ihr besondere Beachtung schenkte. Dann ging die Tür der Hütte langsam auf.
    Manuel sah nicht aus wie ein stolzer, sich seiner Kraft

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