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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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gnadenlos vom Himmel brannte. Erst dann bemerkte sie den Schmerz in ihren Gliedmaßen und begann zaghaft, sie zu strecken. Als sie den schuppig glänzenden Rücken einer Schlange ein Stück neben sich im Unterholz aufblitzen sah, sprang sie auf die Beine und rannte zur Hütte, um sich hinter Holzwänden vor dieser heimtückischen Dschungelwelt zu verstecken. Sobald die Tür zugefallen war, vermochte sie ruhiger zu atmen. Sie trat ein paar Schritte zurück und ließ sich auf eine ausgerollte Petate fallen. Ein paar Spuren menschlichen Lebens erblicken zu können trieb ihr Freudentränen in die Augen. Sie spürte eine weiche Unterlage und ertastete Stoff. Ungeduldig zerrte sie einen jener Beutel hervor, die Manuel und Andrés auf dem Rücken getragen hatten. Ein paar der Tortillas, von der fürsorglichen alten Ix Chel eingepackt, befanden sich noch darin. Sie wirkten angeknabbert, als hätten winzige, scharfe Zähne an ihnen genagt, aber Alice verschlang gierig zwei davon. Mit vollem Magen vermochte sie etwas klarer zu denken, und das Wissen um ihre Lage stürzte bedrohlich auf sie herab.
    »Andrés!«, rief sie, zunächst leise, dann immer lauter. »Komm zurück. Bitte, bitte komm wieder!«
    Sie spürte, wie ihr Tränen der Verzweiflung über die Wangen rannen, und wischte sie ungeduldig ab. Sosehr sie auch rief und klagte, es änderte nichts an ihrer Einsamkeit. Andrés war verschleppt worden, ebenso Manuel. Selbst wenn es ihr gelänge, die beiden hier irgendwo im Dschungel zu finden, könnte sie nichts zu ihrer Befreiung beitragen. Sie würden in die Montería gebracht werden, um dort Holz zu fällen. Nur mit Geld und Einfluss konnten sie von dort wieder herausgeholt werden. Alice begriff, dass sie zu Dr. Scarsdale oder zu Hans Bohremann zurückkehren und einen dieser Männer davon überzeugen musste, ihr zu helfen. Wie sie das anstellen würde, konnte sie sich überlegen, wenn sie am Ziel war. Doch dieses Ziel schien ihr im Augenblick völlig unerreichbar. Sie kannte nicht einmal den Weg zurück in Manuels Dorf. Wieder wurde die Verzweiflung überwältigend. Sie verbarg das Gesicht in den Händen.
    Nach einer Weile wagte sie sich schließlich aus der Hütte, denn sie musste herausfinden, wo genau sie sich befand. Der Usumacinta rauschte nur ein paar Schritte von ihr entfernt dahin. Das kleine, schmale Boot, auf dem sie mit Andrés und Manuel gekommen war, tanzte am Ufer auf den Wellen. Es war festgebunden, stellte Alice erleichtert fest. Sie konnte Andrés’ Rat folgen und den Fluss hinaufpaddeln.
    Eine Weile stand sie unschlüssig da und versuchte, die aufsteigende Panik niederzukämpfen. Sie brauchte einen klaren Kopf, wenn sie überleben und Andrés retten wollte. Gleichzeitig war ihr bewusst, dass die Aussicht auf ein Überleben im Augenblick nicht besonders groß war. Sie konnte in der Hütte sitzen bleiben, sich von den Tortillas ernähren und hoffen, dass jemand kam, bevor sie verhungert war. Doch sehr wahrscheinlich kämen ebenjene Männer, die Andrés und Manuel mitgenommen hatten. Sie erinnerte sich noch sehr gut an Martins Schläge und Tritte, spürte den Schmerz und wusste nicht, ob es besser wäre, einem hungrigen Jaguar oder diesen Kerlen zu begegnen. Andrés hatte von anderen Siedlungen am Ufer des Flusses gesprochen. Angeblich zogen Händler durch den Dschungel, um Waren an die Monterías zu verkaufen. Mit etwas Glück konnte sie einem von ihnen begegnen und ihm eine Belohnung versprechen, wenn er sie zu Dr. Scarsdale zurückbrachte. Andrés hatte recht gehabt, ihre einzige Hoffnung bestand darin, auf dem Fluss weiterzufahren.
    Also kletterte sie ins Boot und löste mit zitternden Händen das Seil, mit dem es festgebunden war. Die Ruder lagen noch darin, stellte sie erleichtert fest, denn sie waren gegen die Strömung gefahren, und genau dies würde sie auch tun müssen, um an belebte Orte zu gelangen. Dann sah sie Metall im Sonnenlicht aufblitzen. Ein Messer war ebenfalls im Boot zurückgeblieben. Obwohl sie wusste, dass sie niemals in der Lage wäre, sich damit gegen Krokodile zu verteidigen, schluchzte sie vor Erleichterung auf und umklammerte den hölzernen Griff, denn so fühlte sie sich nicht völlig hilflos.
    Die Strömung des Usumacinta erfasste sie, und sie glitt langsam über seine breiten Fluten. Ein Stück neben ihr flatterten hochbeinige, rosafarbene Vögel mit spitzen Krummschnäbeln zum Himmel empor. Sie bestaunte deren Eleganz, doch sie wusste, dass die Schönheit des Regenwalds

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