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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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Dieses Dorf wirkte so friedlich und gleichzeitig unwirklich, dass sie fürchtete, ein falsches Wort könnte genügen, damit es wieder im Dickicht des Dschungels verschwand.
    Dann hörte sie ein Rumpeln und laute Männerstimmen. Jemand rüttelte an ihrer Schulter. Das Dorf war so plötzlich verschwunden, wie es aufgetaucht war. Sie befand sich wieder hinter einem Baum im finsteren Dschungel. Ein Stück neben ihr rauschte der breite Fluss, und vereinzeltes Sternenlicht drang durch das Dach der Riesenbäume. Sie hatte nicht zum ersten Mal von Ix Chel geträumt, nun war der Traum vorbei, und sie musste hier einfach liegen bleiben, bis es hell zu werden begann.
    Auf einmal wurde es laut. Manuel schrie gellend auf, während fremde Männer ihn auf Spanisch einen dreckigen Dieb nannten.
    »Da ist jemand in der Hütte. Sie haben Manuel entdeckt«, flüsterte Andrés und bestätigte damit ihre schlimmsten Vermutungen. Sie kauerte sich hinter den Baumstamm und begann zu zittern.
    »Was machen wir jetzt?«, fragte sie Andrés so leise wie möglich. Er schwieg eine Weile, und sie begann zu begreifen, dass er ebenso hilflos war wie sie. Er trug ein Messer am Gürtel, doch so eines besaß auch Manuel. Mit einer Steinschleuder hatte er einst Martin abgewehrt, aber aus der Hütte drangen mehrere Männerstimmen. Er käme niemals gegen all diese Aufseher an, daher war es am vernünftigsten, wenn er neben ihr hinter dem Baumstamm sitzen blieb. Vermutlich würden sie Manuel verlieren, und ohne ihn wäre es schwer, Ix Chel zu finden. Alice versuchte, sich auf die veränderte Situation einzustellen. Sie würden aus dem Dschungel wieder hinausfinden, redete sie sich ein. Am wichtigsten war es, nicht entdeckt zu werden. Sie wollte Andrés enger an sich heranziehen, spürte aber, wie er sich versteifte.
    »Ich kann Manuel jetzt nicht im Stich lassen«, erklärte er flüsternd. »Er ist nur unseretwegen aufgebrochen. Ich werde versuchen, mit den Männern zu reden. Allzu viel Aguardiente kann nicht in der Hütte gewesen sein, vielleicht lassen sie uns laufen.«
    Alice streckte entsetzt die Hand aus, um ihn zurückzuhalten, begriff aber, dass es keinen Sinn hätte. Er würde sich niemals verzeihen, seinen Gefährten der Gewalt der Aufseher überlassen zu haben.
    »Vielleicht sollte ich auch mitkommen«, schlug sie vor. »Ich sage, dass … dass ich eine Verwandte von Hans Bohremann bin und dass ihr meine Begleiter seid, die mich beschützen sollen. Ich werde versprechen, dass der gestohlene Aguardiente ersetzt wird.«
    Kurz schöpfte sie Hoffnung, sich als nützlich erweisen zu können, doch Andrés winkte ab.
    »Das wäre zu gefährlich. Wenn sie eine Frau wie dich bei uns sehen, verlieren sie völlig den Kopf. Bitte zeige dich nicht, ganz gleich, was geschieht. Wenn ich nicht wiederkomme, dann nimm das Boot und fahr weiter den Fluss stromaufwärts. Früher oder später taucht irgendwo eine Siedlung auf. Dann sage, dass du die Schwester eines deutschen Kaffeebarons bist, die von Banditen entführt wurde. Sie werden sich eine Belohnung erhoffen, wenn sie dich heil zurückbringen.«
    Bevor sie etwas erwidern konnte, war er verschwunden. Alice duckte sich, als die Stimmen lauter wurden. Sie hörte Manuel erneut schreien, und dann erklang ein qualvolles Stöhnen von Andrés. Ihre Muskeln spannten sich an, um ihm zu Hilfe zu eilen, doch der dringliche Klang seiner Abschiedsworte hielt sie zurück. Sie wollte die Lage nicht noch unnötig verschlimmern. So blieb sie zusammengekauert hinter dem Baumstamm sitzen, während Männer Befehle brüllten und dann Schritte zu hören waren. Als es langsam hell zu werden begann, wagte sie es nicht einmal, an dem Stamm vorbeizuspähen. Die Stimmen schienen sich zu entfernen, wurden von dem Rauschen des Flusses und den Lauten des Dschungels verschluckt. Sobald die Sonne den Himmel erobert hatte, hörte Alice nur noch das übliche Zischen und Krächzen der unsichtbaren Lebewesen des Dschungels. Nur schienen diese Geräusche viel mächtiger als bisher, übertönten sogar ihren hämmernden Herzschlag.
    Ohne nachsehen zu müssen, wusste sie, in welcher Lage sie sich befand. Die unbekannten Männer waren aufgebrochen und hatten ihre zwei Gefangenen mitgenommen. Sie saß allein hinter einem Baum vor einer leeren Hütte.
    Alice hoffte verzweifelt, wieder die Männer zu hören, gleichzeitig fürchtete sie sich vor deren Rückkehr, und daher wagte sie auch nicht, aus ihrem Versteck herauszukommen. Sie saß da, bis die Sonne

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