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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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antworten konnte, stieß er ein bitteres Lachen aus. »Ich hätte fast vorgeschlagen, sie Dr. Scarsdale zu bringen, was ihn dir gegenüber gnädig stimmen würde. Aber dann wüsste er auch, dass du Ix Chel gefunden hast, und damit wärest du in Gefahr.«
    »Eben. Die Kette könnte als Beweis dienen«, erwiderte Alice, um ihm gleich darauf mitzuteilen, was ihr auf dem Weg zur Hütte klar geworden war. »Ich werde sie Hans Bohremann zeigen, gemeinsam mit der Zeichnung. Dann weiß er, dass ich Ix Chel wirklich getroffen habe. Und ich denke, er wird mir glauben, wenn ich ihre Geschichte wiedergebe. Dann wärest du von allem Verdacht befreit.«
    Sie sah ihn erwartungsvoll an, aber sein Gesicht drückte nichts weiter als verhaltene Nachdenklichkeit aus.
    »Die Kette bedeutet nicht, dass Ix Chel die Wahrheit sagt«, meinte er. »Das wird Hans Bohremann ebenso sehen. Ich bin Indio wie sie. Er könnte es als einen Versuch auslegen, mich zu schützen.«
    Alice seufzte leise.
    »Aber wie sollen wir sonst deine Unschuld beweisen?«, widersprach sie. »Willst du dich wirklich bis an dein Lebensende hier verstecken? Außerdem hast du selbst gesagt, dass dieses Dorf früher oder später entdeckt werden wird. Was machst du dann?«
    »Bis dahin könnte noch sehr viel Zeit vergehen. Ich kann hoffen, dass ich es nicht mehr erlebe.«
    Er lehnte sich zurück und rieb sich müde seine Schläfen.
    »Alice, manchmal frage ich mich, ob all dies nicht eine Strafe ist für das, was mein Vater mir stets vorwarf. Ich wollte aus meinem Dasein als gewöhnlicher Peon ausbrechen, maßte mir an, wie ein Ladino zu leben, und am Ende sitze ich an einem Ort, wo niemand weiß, was ein Ingenieur überhaupt ist. Mein Vater würde vermutlich sagen, es sei mir recht geschehen.«
    »Das ist doch Unsinn!«, rief Alice, die eine derartige Resignation wütend machte. »Nur weil du als Indianer auf die Welt kamst, darfst du nichts anderes tun als deine Vorfahren? Warum solltest du kein Recht haben, frei über dein Leben zu entscheiden?«
    Andrés gab ihr keine Antwort, scharrte nur mit einem kleinen Ast in der Erde herum.
    »Für Ix Chel ist dieser Ort der richtige, das habe ich heute begriffen«, fuhr Alice fort. »Sie will kein anderes Leben als dieses. Aber du hast einen anderen Weg gewählt. Gib jetzt nicht auf!«
    Er hob seinen Blick zu ihrem Gesicht, in seinen braunen Augen lag der Ausdruck von Vertrauen und Zuneigung, vielleicht sogar ein wenig Hoffnung. Mit seiner rechten Hand zog er sie zu sich.
    »Ich werde dich zu Hans Bohremann bringen«, versprach er. »Allein schaffst du den Weg dorthin kaum. Aber ich werde mich im Umland verstecken, bis ich weiß, wie dein Gespräch mit ihm verlaufen ist. Das ist sicherer.«
    »Ich werde tun, was ich kann, damit du dein altes Leben wieder aufnehmen kannst«, erwiderte Alice und lehnte den Kopf an seine Schulter. »Du bist ein guter Ingenieur, und Hans Bohremann weiß das. Ich bin mir sicher, er wäre froh, wenn ihr euch irgendwie einig werdet. Vielleicht bist du ihm gegenüber zu stur gewesen.«
    Andrés widersprach nicht, sondern zog sie in eine innigere Umarmung. Während die Nacht sich über den Dschungel legte und die Dorfbewohner noch reichlich betäubt in ihre Hütten krochen, lauschte Alice seinen ruhigen Atemzügen, bis sie selbst langsam in den Schlaff glitt. Wieder zogen Gesichter an ihr vorbei. Sie sah Patrick, der ihr zulächelte. Seltsamerweise löste sein Anblick keinen Schmerz mehr aus, sondern war jener endgültige, friedliche Abschied, den sie niemals voneinander nehmen konnten. Dann erschien plötzlich eine indianische Frau in einer bunt bestickten Bluse und einem Wickelrock, der mehrere Gestalten in weißen Kitteln folgten. Sie stiegen die Stufen zum Palast in Palenque hoch, der aber keine Ruine mehr war, denn es waren ihm plötzlich Mauern und auch ein Turm gewachsen. Alice war sich sicher, diese Indianerin niemals zuvor gesehen zu haben, doch ihr Gesichtsausdruck erinnerte sie an die gelangweilten, unzufriedenen Damen der vornehmen Gesellschaft, die sie von den Empfängen ihres Vaters kannte. Eine einfache Bäuerin konnte es jedenfalls nicht sein, dazu war ihre Haltung zu stolz und ihr scharf geschnittenes Profil zu aristokratisch. Um ihren Hals hing die Kette aus Edelsteinen.
    Danach hörten die Träume auf. Alice schlief friedlich weiter, bis die Stimmen der Dorfbewohner sie weckten, denn hier im Dschungel begann der Tag mit dem ersten Morgengrauen. Sie verspürte ein leichtes Stechen in den

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