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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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gleich hinter ihm tauchte ein großer Mann auf.
    Ohne weiter nachzudenken, begann Alice loszulaufen. Diesmal gelang es ihr, im Dunkeln nicht zu stolpern, doch bald schon wurde sie am Rock gepackt und zurückgerissen. Sie erkannte Ricardos verlegenes Gesicht im Mondlicht und zerkratzte zornig eine seiner Wangen.
    »Maldita Bruja!«, rief er. Verfluchte Hexe. Sie trat nach ihm, um sich freizukämpfen, denn für einen kleinen Jungen war er erstaunlich kräftig. Fast wäre es ihr gelungen, seinen Griff abzuschütteln, da schob sich ein breites, grimmiges Männergesicht in ihr Blickfeld, und sie schrie auf, als sie Martin erkannte. Nun schlug sie mit aller Kraft um sich und schaffte es tatsächlich, Ricardo zurückzustoßen, sodass er gegen Martin prallte. Wieder rannte sie ein paar Schritte, dann wurde sie an den Haaren gepackt. Ein rauer Stoff schob sich über ihr Gesicht. Es musste ein Sack sein, erkannte sie, schnappte nach Luft und versuchte verzweifelt, ihren Kopf freizubekommen, doch zwei kräftige Pranken umklammerten ihre Handgelenke. Bald darauf schnitten Seile in ihre Haut und beraubten sie aller Bewegungsfreiheit. Sie wurde auf das Maultier gehoben.
    »Andrés!«, kreischte sie verzweifelt. Martin lachte.
    »Dein dreckiger Indio hat sich aus dem Staub gemacht. Der hat genug von dir, du kleine Hure!«
    Sie spürte, wie seine Hand unter ihren Rock griff und ihren Oberschenkel entlangglitt. Verzweifelt trat sie um sich, doch da sie nichts sehen konnte, traf sie nur ins Leere.
    »Wir sollen sie nur zu ihm bringen, hat er gesagt – unversehrt«, mahnte Ricardo leise.
    »Kümmere dich um deine Angelegenheiten, Muchacho!«, knurrte Martin, ließ aber von Alice ab.
    Das Maultier setzte sich langsam in Bewegung.
    »Wir müssen noch ihre Sachen holen. Das ist wichtig, hat er gesagt«, fuhr Ricardo fort. Martin stimmte knurrend zu. Alice wusste nicht, ob sie erleichtert oder entsetzt sein sollte, dass die Kette nicht am Lagerplatz zurückbleiben würde. Mit aller Kraft kämpfte sie gegen die Angst an, unter dem dicken Stoff nicht mehr atmen zu können, denn ihr begann bereits schwindelig zu werden. Ein Atemzug nach dem anderen, ermahnte sie sich und stellte fest, dass es möglich war, Luft zu bekommen. Sie würde nicht sterben. Sie sollte heil und gesund irgendwo hingebracht werden, so viel hatte sie begriffen. Sobald sie an diesem Ort angekommen war, erwartete sie sicher nichts Gutes. Sie konnte gar nicht wieder in die Freiheit entlassen werden, da sie sonst von ihrer Entführung berichten würde. Einen Menschen hier in dieser Wildnis verschwinden zu lassen, das war nicht besonders schwierig.
    Sie konzentrierte sich auf ihre Atmung, um die Panik im Zaum zu halten. Martin und Ricardo wechselten nur die nötigsten Worte miteinander. Andrés, hallte es bei jedem einzelnen Herzschlag in ihrem Kopf. Wo war er? Hatte er sie wirklich im Stich gelassen? Sie klammerte sich an die Erinnerung, wie er sie bereits in Palenque vor Martin gerettet hatte. Er würde sicher eine Steinschleuder basteln. Oder Hilfe holen, was in der gegenwärtigen Lage vielleicht sinnvoller wäre. Aber würde es ihm noch gelingen, sie zu finden, wenn sie bereits ein paar Tage unterwegs war?
    Sie verjagte diese Gedanken, denn sonst hätte sie begonnen, vor Angst und Verzweiflung zu schreien. Seit ihrer Ankunft in Mexiko war sie mehrfach in einer gefährlichen Lage gewesen, doch niemals hatte sie so wenig Hoffnung gehabt, sich selbst retten zu können. Niemand hielt es für nötig, wenigstens den Sack von ihrem Kopf zu entfernen, obwohl der Schweiß in Strömen über ihre Haut lief. Sie hatte Martin bereits zu gut kennengelernt, um sich Hoffnungen zu machen, dass sie ihn durch Bitten würde erweichen können. Vermutlich hasste er sie so sehr, dass es ihm Freude machte, sie leiden zu sehen.
    Sie biss die Zähne zusammen, um nicht zu wimmern. Allmählich gewöhnte sie sich daran, nichts sehen zu können, doch sie schwitzte so unerträglich, dass sie fürchtete, in Ohnmacht zu fallen. Sie versuchte, in Erinnerungen an schöne Tage und Ideen für neue Bilder zu flüchten. Ihr Körper passte sich dem schaukelnden Gang des Maultiers an. Wenigstens saß sie einigermaßen bequem.
    Nach einer Weile wurde sie aus dem Sattel gehoben, und der Sack wurde entfernt. Sie nahm eine weite Landschaft mit Büschen und Agaven wahr. Allzu weit konnten sie sich aber nicht vom Dschungel entfernt haben, denn im Hintergrund ragten die ihr inzwischen vertrauten riesigen Bäume in den

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