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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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zurück und stützte sich an einem Pfeiler des Tempels ab. Hinter ihr erklangen Schritte. Sie sah sich verzweifelt nach einem Fluchtweg um. Sie konnte versuchen, zum benachbarten Tempel mit dem Totenkopf zu rennen, doch auch von dort wäre Dr. Scarsdale in der Lage, sie hinabzustoßen. Ihre einzige Chance war, in den Dschungel hinter den Gebäuden zu gelangen, wo sie sich vielleicht eine Weile würde verstecken können. Doch sobald der Archäologe die Capataces zu Hilfe rief, würde sie wahrscheinlich bald gefunden werden. Als sie Dr. Scarsdale hinter sich spürte, begann sie loszulaufen.
    »Doctor! Sehen Sie, wer sich hier in der Nähe herumgetrieben hat«, hörte sie plötzlich Martin rufen. Dr. Scarsdale trat an ihre Seite und blickte hinab. Martin schob einen Mann in zerlumpter, weißer Indio-Kleidung vor sich her und hatte seinen Revolver an dessen Schläfe gerichtet. Sie schrie auf. Andrés hatte sie nicht im Stich gelassen. Er wurde vor den Tempel geschubst, während Martin ihm die Arme auf den Rücken bog. Sie hielt den Atem an. Nun war die Lage völlig verändert. Wenn das Spiel weitergehen sollte, brauchte Andrés eine Rolle darin.
    »Lass ihn los!«, hörte sie Dr. Scarsdale rufen. »Wir haben schon auf ihn gewartet.«
    Der Archäologe stieg die hohen Stufen hinab, und Alice folgte ihm sogleich. Sie spürte Andrés’ besorgten Blick, als sie sich ihm näherte, und lächelte ihn beruhigend an. Sie lebte noch. Das allein zählte erst einmal.
    »Wir haben einander unterwegs verloren«, sagte sie zu Dr. Scarsdale, »doch Señor Uk’um machte sich offenbar allein auf den Weg.«
    Der Archäologe kommentierte diese Lüge nicht weiter.
    »Nun bin ich endlich hier, obwohl ich etwas unsanft empfangen wurde«, sagte Andrés stattdessen, ohne eine Miene zu verziehen. »Sind Sie mit den Arbeiten am Tempel inzwischen gut vorangekommen?«
    Wieder fiel Alice auf, dass Dr. Scarsdale sich die Hände rieb.
    »Die Arbeiter sind weg«, erklärte er. »Sie … sie wurden schwierig. Aufsässig. Ich musste sie entlassen.«
    Alice sah sich nach den Capataces um, die schweigend dastanden. Es wäre ihre Aufgabe gewesen, die Arbeiter zu kontrollieren. Dass ihr Jefe ihnen diese Fähigkeit absprach, ließ sie kalt. Sie mussten eingeweiht sein in sein Spiel. Vermutlich war ihnen eine Belohnung versprochen worden.
    »Das ist bedauerlich«, sagte Andrés. »Aber ich kann in den umliegenden Dörfern neue Arbeiter anwerben, die handsamer sind. Morgen schon kann ich mich auf den Weg machen. Dann gehen die Ausgrabungen schnell voran. Ich bin mir sicher, dass sich unter diesem Tempel eine bedeutende Entdeckung verbirgt. Ein Grabmal vielleicht.«
    Sie sah Dr. Scarsdales Augen aufleuchten und lobte Andrés innerlich für seine Schlauheit.
    »Das ist …« Dr. Scarsdale räusperte sich. »Das ist keine schlechte Idee. Wir reden in ein paar Stunden darüber. Jetzt wollen Sie sich sicher waschen und ein wenig ausruhen. Sie können die Hütte von Miss Wegener beziehen, falls die Dame nichts dagegen hat.«
    Er sah Alice an, als warte er tatsächlich auf ihr Einverständnis. Martin knurrte spöttisch.
    »Chingada«, hörte sie einen der Capataces murmeln. Hure. Sie straffte ihre Schultern.
    »Natürlich möchte ich allein in meiner Hütte schlafen, aber Señor Uk’um kann sich dort gern eine Weile ausruhen«, erklärte sie. Auch wenn die Capataces unter dem Befehl des Archäologen standen, wäre es unklug, zu sehr in ihrem Ansehen zu sinken, denn vielleicht würde sie ein paar Verbündete unter ihnen finden können.
    »Natürlich kann ich nicht in der Hütte der Señorita schlafen, aber ich bin dankbar, dass sie sie mir für eine Weile überlässt«, erwiderte Andrés, und sie glaubte, ein leichtes Zwinkern seines rechten Auges wahrzunehmen.
    »Sie können dort gemeinsam das Mittagessen einnehmen. Ich selbst habe viel zu tun und bin mir sicher, dass Sie sich einiges zu erzählen haben«, sagte Dr. Scarsdale. Er schien geradezu erleichtert, seine zwei unfreiwilligen Gäste irgendwo unterzubringen. Vermutlich würde er die Tür verschließen, aber Alice war zu glücklich über die Möglichkeit, sich allein mit Andrés unterhalten zu können, um sich daran zu stören.
    Sie gingen schweigend hinein. Die Tür wurde geschlossen. Ein knarrendes Geräusch folgte. Alice hatte bereits den hölzernen Riegel bemerkt, der bei ihrer Abreise noch nicht da gewesen war.
    »Wie bist du hierhergekommen?«, fragte sie, noch bevor sie sich auf die Petate gesetzt

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