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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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aber Martin plötzlich wieder herumstolzierte, wusste ich, dass etwas nicht in Ordnung war. Martin sagte einmal, dass er Ihnen den Hals umdrehen würde, wenn er die Gelegenheit dazu bekäme. Und auch Andrés will er umbringen, keine Frage.«
    Alice begann zu frösteln.
    »Andrés und ich wollen heute Nacht fliehen«, wisperte sie durch einen Spalt zwischen den Baumstämmen. »Du kommst am besten mit, denn hier kannst du nicht bleiben. Warte einfach eine Weile, dann taucht er hier auf.«
    »Ich fürchte, das wird er nicht, Señorita. Er kann nicht«, erwiderte Julio ebenso leise. Alice zuckte zusammen.
    »Was ist mit ihm?«
    »Er wurde gefesselt, bevor el doctor sich schlafen legte. Auf dessen ausdrücklichen Befehl, denn er hatte sich schon einmal unerlaubt von der Grabungsstätte entfernt. Ich habe mitbekommen, wie der Jefe den Capataces den Befehl erteilte.«
    Alice vergrub beide Hände in Marianas Strubbelfell. Das Spiel schien endgültig vorbei. Was hatte der Archäologe vor?
    »Du musst zu Hans Bohremann, dem Kaffeebaron, laufen und ihm sagen, dass ich Hilfe brauche. Schnell!«, zischte sie. Dann wurde ihr bewusst, dass viele Tage vergehen würden, bis er sein Ziel erreichte. Aber es gab keine andere Möglichkeit. Vielleicht konnte Julio sie jetzt aus der Hütte befreien, aber sie war nicht bereit, Andrés hier allein zurückzulassen.
    »Warum sollte er einem gewöhnlichen Indio glauben?«, erwiderte der Junge. Alice dachte kurz nach, dann fiel ihr ein, dass sie noch ihren Zeichenblock und ihre Stifte hatte. Rasch schrieb sie im Dunkeln ein paar Zeilen an Hans Bohremann, erwähnte, dass Dr. Scarsdale Patricks Mörder war und dass er sie in Palenque gefangen hielt. Sie unterschrieb klar und deutlich, dann schob sie das Papier durch den Spalt.
    »Nimm das und lauf.«
    Sie wollte noch an ihr Versprechen erinnern, dass sie Julio eine eigene Tienda kaufen würde, sobald sie das dafür nötige Geld hätte, da war er bereits verschwunden. Sie lauschte eine Weile, ob irgendwelche schweren Schritte erklangen, doch es rauschte, krächzte und knurrte nur im nächtlichen Dschungel. Julio war unterwegs. Nun musste sie Dr. Scarsdale eine Weile hinhalten und hoffen, dass bald Hilfe kam. Morgen würde sie auf eine Gelegenheit warten, Andrés einzuweihen, damit auch er nicht die Hoffnung verlor.
    Sie umschlang Marianas Körper, und nach einer Weile gelang es ihr, in einen unruhigen Schlaf zu fallen.
    Am nächsten Tag stiegen sie alle wieder die Stufen zum Tempel der Inschriften hinauf, denn so war es von Dr. Scarsdale gewünscht. Andrés, dessen Hände noch gefesselt waren, wurde von Martin vorwärtsgestoßen. Er stürzte und fiel auf die scharfen Kanten der Stufen, doch sein Peiniger riss ihn wieder hoch.
    »Ist das wirklich notwendig?«, fragte Alice Dr. Scarsdale, der vor ihr ging.
    »Bedauerlicherweise ja. Er ist bereits einmal unzuverlässig gewesen, indem er nicht wie verabredet zurückkam.«
    »Aber … es geschah auf meinen Wunsch hin. Ich brauchte ihn als Begleiter.«
    Der Archäologe lächelte eisig.
    »Ich bin es, der hier die Befehle erteilt, Miss Wegener. Nicht Sie. Das hätte er wissen müssen.«
    Alice schluckte alle empörten Widerworte, die ihr auf der Zunge lagen. Sie hoffte, dass Andrés verstand, warum sie nichts anderes tun konnte, als zu schweigen.
    Im Tempel stellten sich alle um Dr. Scarsdale auf.
    »Die Grabungen sollen hier fortgeführt werden«, verkündete er knapp. »Da uns die Arbeiter fehlen, müssen alle anwesenden Männer mit anpacken.«
    Die Gesichter der Capataces nahmen teils erstaunte, teils offen zornige Mienen an.
    »Wir sind keine Peones!«, knurrte einer von ihnen.
    »Nein, denn ihr bekommt mehr Geld«, hielt der Archäologe demjenigen entgegen. »Und deshalb solltet gerade ihr meinen Anweisungen folgen.«
    Alice meinte, die allgemeine Empörung wie einen Sturm in der Luft spüren zu können. Die Männer murmelten und riefen durcheinander. Der kleine, schmächtige Dr. Scarsdale hielt dem erstaunlich gut stand. Alice hatte ihm nicht so viel Durchsetzungsvermögen zugetraut.
    »Als wir im Dschungel waren«, sagte Andrés plötzlich, »da erzählte mir einer der Indios – der Kazike, der hier früher heilige Rituale durchführte –, dass unter den Pyramiden die Herrscher und Priester der Stadt begraben sind.«
    Alice schnappte nach Luft und warf ihm einen verwirrten Blick zu. Er nickte ernst in ihre Richtung, und sie begann zu ahnen, dass er die Wahrheit sagte. Da sie die ganze Zeit über

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