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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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stockte für einen kurzen Moment der Atem, denn sie ahnte, dass sie sich nun dem eigentlichen Thema dieses Gespräches näherten.
    »Ich will Andrés Uk’um nicht das Leben schwer machen, obwohl ich es nicht befürworte, wenn Indios in höhere Positionen aufsteigen«, sagte Rosario schließlich. »Doch in dieser Angelegenheit überlasse ich die Entscheidung meinem Mann. Und was Sie tun, Fräulein Wegener, bleibt ebenfalls Ihnen überlassen. Sie werden mit den Folgen leben müssen.«
    Die Worte klangen leicht abwertend, doch gleichzeitig waren sie das Friedensangebot, auf das Alice gehofft hatte. Kurz wollte sie Rosario vor Freude umarmen, doch der Wunsch prallte an der eisigen Fassade dieser Mexikanerin ab.
    »Ich will Ihnen nicht schaden«, versicherte Alice. Rosario zuckte zusammen. Vermutlich empfand sie es als demütigend, von der Großmut anderer Menschen abhängig zu sein. »Aber meinen Sie nicht, dass …« Alice hielt inne, aber da sie ihren Satz begonnen hatte, wollte sie ihn auch beenden. »Vielleicht sollten Sie Ihrem Mann bestimmte Dinge erklären. Ich denke, seine Liebe zu Ihnen ist stark genug, um die Wahrheit auszuhalten.«
    Rosario musterte Alice fassungslos. Rasch sah sie sich nach möglichen Lauschern um, obwohl hier sicher kaum jemand Deutsch verstand. Dann stand sie auf.
    »Ich bedanke mich für Ihren Rat, aber lassen Sie einfach mich entscheiden, worüber ich mit meinem Mann spreche.«
    Sie ging los, ohne sich nach Alice umzudrehen, doch es war offensichtlich, dass sie den Rückweg eingeschlagen hatte. Alice lief ihr hinterher, denn etwas anderes konnte sie kaum tun. Schweigend kehrten sie zu dem Hotel zurück, wo bereits Gepäck auf einen Karren geladen wurde und ein Reisewagen sowie gesattelte Pferde bereitstanden. Hans Bohremann begrüßte seine Frau mit einem ungeduldigen Lächeln.
    »Euer kleiner Einkauf hat aber lange gedauert. Wir haben nur noch auf euch gewartet. Selbst Andrés Uk’um ist schon hier.«
    Alice ahnte, dass ihr die ungeduldige Erwartung ins Gesicht geschrieben stand, als sie sich umsah. Tatsächlich entdeckte sie Andrés hinter dem Karren zwischen ein paar Hoteldienern und anderen Indios. Er musste eine Gelegenheit bekommen haben, sich zu waschen und sein Hemd zu wechseln, denn er sah deutlich sauberer aus als im Gefängnis. Glücklich rief sie seinen Namen. Er blickte kurz auf, während er eine Kiste auf die Ladefläche des Karrens stellte, und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Seine Augen leuchteten freudig, und er neigte den Kopf zum Gruß, doch dann machte er sich sofort wieder an die Arbeit. Alice schämte sich, weil ihr Tränen der Enttäuschung in die Augen schossen. Nachdem sie um sein Leben hatte bangen müssen, hätte sie sich eine innigere Begrüßung gewünscht, doch sie musste einsehen, dass jetzt nicht der richtige Moment war. Sie stellte die Tasche mit ihrer neuen Kleidung neben ihrem Koffer ab, der bereits aufgeladen worden war. Julio hatte dafür gesorgt, dass ihre Habseligkeiten eingepackt wurden. Auch er saß schon mit Mariana auf dem Reisewagen und winkte Alice zu. Seine Armschiene war in der Zwischenzeit entfernt worden. Hans Bohremann musste es ohne seine Frau geschafft haben, alles Nötige zu organisieren.
    »Wir fahren auf die Hazienda!«, rief der Junge freudig und wies auf einen freien Platz an seiner Seite.
    »Ich soll dort eine Stelle als Hausdiener bekommen, weil ich so gut Spanisch kann«, berichtete er weiter, während Alice sich neben ihn setzte und Mariana auf ihren Schoß sprang. »Don Juan hat es mir versprochen.«
    Er sah so glücklich aus, dass Alice ihn erfreut anlächelte, obwohl sie sich eine andere Zukunft für ihn wünschte. Aber sie würde schon Mittel und Wege finden, damit er seine eigene tienda bekam, sobald er alt genug war. Bis dahin konnte er bei den Bohremanns arbeiten, denn er hatte bisher nicht den Wunsch geäußert, in sein Heimatdorf zurückzukehren.
    Rosario Bohremann stieg ebenfalls in den Wagen und ließ sich auf dem Sitz gegenüber nieder. Nach einer Weile folgte Juan Ramirez, der Alice nicht ansah, sondern die Fassaden der Häuser musterte. Im Flüsterton wechselte er ein paar Worte auf Spanisch mit seiner Schwester, dann setzte der Wagen sich in Bewegung. Alice sah sich ratlos um. Würde Andrés auf einem Pferd reiten so wie Hans Bohremann und jene Männer, die ihnen als Begleitschutz dienten?
    »Julio kann bei uns sitzen, weil er verletzt ist«, beantwortete Rosario ihre unausgesprochene Frage. »Aber

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