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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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längere Unterhaltung zu dem Thema, während die Hausherrin Alice zuwinkte. Sie folgte der Einladung und fand sich zu ihrer großen Freude bald in einem Raum wieder, wo ein Zuber mit warmem Wasser auf sie wartete. Sie konnte es kaum erwarten, sich ihrer nassen Kleidung zu entledigen, und nahm es daher auch hin, dass die Señora sich dabei nicht aus dem Raum entfernte, sondern entschlossen schien, ihr beim Bad zu helfen.
    »Muy bonita!«, murmelte sie, als sie eine rätselhafte Tinktur in Alice’ nasses Haar mischte. »Bald machen hier alle Männer verrückt!«
    Alice war zu erschöpft, um darauf hinzuweisen, dass sie nichts Derartiges im Sinn hatte, doch sie lobte höflich das Deutsch ihrer Gastgeberin. Bald darauf wurde sie in eine Decke gewickelt und in eine kleine Kammer geführt, wo neben einem Tisch ein schmales Bett stand. Sie fiel wie ein Stein auf das Laken und nahm nur noch wahr, wie einer der indianischen Jungen ihren Koffer brachte.
    Am nächsten Tag schien wieder die Sonne. Alice stellte fest, dass sie über zwölf Stunden geschlafen hatte, aber sie fühlte sich völlig gesund und wohl. Ihr Magen knurrte, sodass sie rasch in frische Kleidung schlüpfte und aus dem Zimmer trat. Der Geruch gebratener Eier lag in der Luft. Sie fuhr sich rasch durchs Haar und merkte, dass es sich tatsächlich weitaus weicher anfühlte als in den letzten Wochen. Als ihr das Frühstück aufgetischt wurde, warf sie der Hausherrin einen dankbaren Blick zu. Dr. Scarsdale drängte zum Aufbruch, sodass ihr kaum Zeit blieb, die üppige Mahlzeit mit einer zweiten Tasse Kaffee hinunterzuspülen, und schon saß sie wieder auf ihrem Pferd, diesmal unter sanft wärmenden Sonnenstrahlen. Die Landschaft zeichnete sich klar am Horizont ab, als habe der Regen sie reingewaschen. Wieder trotteten sie auf Felsen und Hügel zu, tauchten in Wälder ein und gingen an einem tosenden Wasserfall vorbei, den zu zeichnen es Alice leider nicht möglich war, da sie die Gruppe nicht unnötig aufhalten wollte. An einer Stelle wurde der Bergpfad so steil und schmal, dass sie absteigen und ihre Pferde führen mussten. Alice tastete sich an der Felswand entlang, griff nach Baumwurzeln und Sträuchern und führte vorsichtig das Pferd den Pfad entlang. Sie vermied es geflissentlich, nach unten zu blicken, denn unmittelbar neben ihr fiel der Fels steil ab zu einem tosenden Fluss.Plötzlich rutschte ihr Fuß an einem kleinen Stein ab, sie stolperte und verlor das Gleichgewicht. Mit einem Schrei krallte sie sich an einer Pflanze fest, die aber nachgab und aus der spärlichen Erde gerissen wurde. Hinter ihr schnaubte das Pferd, sie hörte Schritte, dann wurde sie gepackt und auf den Pfad zurückgezogen. Alice schnappte nach Luft. Ihr Herz schlug so schnell und laut, dass es jedes andere Geräusch verdrängte, und zum ersten Mal wünschte sie sich, sie hätte auf Dr. Scarsdale gehört und wäre mit dem nächsten Dampfer zurück nach Europa gefahren. Sie sah sich nach ihrem Retter um. Sie wusste nicht genau, wen sie erwartet hatte, denn Juan Ramirez und Dr. Scarsdale gingen voraus, doch sie konnte ihrer Wahrnehmung kaum trauen, als der Jüngere der zwei Indio-Jungen sie stolz anblickte. Er musste älter als sechs oder sieben Jahre sein, überlegte sie, vermutlich war er eben klein wie die meisten Menschen seines Volkes.
    »Muchas gracias«, murmelte sie und lächelte den Knaben an. Er strahlte über das ganze Gesicht, als hätte sie ihm ein großzügiges Geschenk gemacht. Alice staunte. Manchmal mochte es durchaus Vorteile haben, eine junge Frau von gefälligem Äußeren zu sein.
    »Ist etwas passiert? Wo bleiben Sie, Miss Wegener?«, rief Dr. Scarsdale, der bereits das Ende des Pfades erreicht hatte und sich zu ihr umwandte. Ein Stück neben ihm entdeckte sie Juan Ramirez.
    »Keine Sorge, alles in Ordnung. Ich komme gleich«, versicherte Alice, denn der im letzten Moment verhinderte Absturz war ihr ebenso peinlich wie der Überfall der Indios in Minatitlán. Sie wusste, dass sie nicht für derartige Abenteuer geschaffen war, denn niemals in ihrem Leben hatte sie das Verlangen verspürt, über enge Bergpfade zu wandern. Aber sie wollte Dr. Scarsdale nicht in seiner Annahme bestätigen, dass sie auf dieser Reise nichts weiter als ein lästiges Anhängsel war.
    »Dann beeilen Sie sich. Wir müssen weiter«, drängte der Gelehrte. Alice setzte sich in Bewegung und warf dem Indio-Jungen ein verschwörerisches Lächeln zu. Sie teilten jetzt ein Geheimnis.
    Bis zum

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