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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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rauchte unbeeindruckt weiter, und sie folgte seinem Beispiel. In Veracruz war er höflicher gewesen, dachte sie, doch die schlechten Manieren passten unerwartet gut zu ihm.
    »Ich könnte Ihnen noch etwas anderes zeigen«, schlug er beiläufig vor. »Mexiko, wie Sie es bisher noch nicht gesehen haben, weil niemand es einer Dame wie Ihnen zumuten würde. Ein paar Straßen weiter findet gerade ein Hahnenkampf statt. Fast alle Männer des Ortes sind dort, während die Frauen irgendein traditionelles Fest feiern.«
    Er musterte sie mit einem breiten Grinsen. Alice hatte den Eindruck, nun den wahren Juan Ramirez kennenzulernen, weitaus mehr als das wahre Mexiko. Von Hahnenkämpfen hatte schon Harry erzählt, der einige Jahre in London verbracht hatte.
    Sie ließ den Zeichenblock sinken. Ihr war klar, dass sie dieses Angebot in Veracruz vielleicht sogar angenommen hätte, um nicht als zerbrechliches Frauchen zu gelten. Aber sie würde es keinem Mann so leicht verzeihen, sie nach der ersten Annäherung plötzlich wie Luft behandelt zu haben.
    »Herzlichen Dank, aber irgendein Gemetzel unter armen Kreaturen, bei dem Männer glauben sich nur durch Zusehen als richtige Kerle hervorzutun, brauche ich nicht. Ich entscheide gern selbst, was ich sehen muss, um ein Land kennenzulernen.«
    Sie schluckte, nachdem diese Worte ausgesprochen waren. Die Schneekönigin war bisher nicht geschmolzen, stellte sie fest, ohne dies wirklich zu bedauern. Juan Ramirez stand mit einem Schulterzucken auf. Das Grinsen war nicht ganz von seinem Gesicht gewichen, doch es schien etwas verrutscht, als wisse er selbst nicht, ob er lachen oder zornig werden sollte.
    »Tehuantepec passt zu Ihnen«, stellte er fest. »Es gilt als die einzige Region Mexikos, wo die Frauen herrschen.«
    Dann stolzierte er davon. Alice spürte ein kurzes Bedauern, vertiefte sich aber gleich wieder in ihre Zeichnung. Eine Region, wo die Frauen herrschten, ging es ihr durch den Kopf. Vermutlich hatten sie deshalb so prächtige Gewänder. Sie erwog, selbst ein solches zu erwerben, doch ihr nordeuropäisches Gesicht hätte in all der Farbenpracht wie blasser Stoff gewirkt, der zu oft gewaschen worden war.
    Am nächsten Tag begann der wirklich beschwerliche Teil der Reise, denn nun würden sie nicht mehr über breite Straßen fahren können. Eine einzige Straße führte direkt nach Guatemala, doch sonst gab es nur schmale Pfade durch das bergige Gelände, über die die Karren nicht fahren konnten. Daher standen ihnen nur drei kleine, stämmige Pferde mit Sattel zur Verfügung, ebenso wie vier Esel zum Transport des Gepäcks. Alice wurde flau im Magen, denn sie fürchtete, ihre Malutensilien oder die bereits fertigen Bilder könnten unterwegs in tiefe Schluchten oder reißende Gewässer stürzen, wenn sie nicht sicher genug befestigt waren. Der von Dr. Scarsdale engagierte indianische Führer war ein kleiner, magerer, schweigsamer Kerl, dessen Hautfarbe Alice an Tante Gretes geliebten Nusskuchen erinnerte. Zwei seiner Söhne beteiligten sich an der Reise, um die Esel zu beaufsichtigen, doch sie schienen nicht älter als sieben Jahre zu sein, was sie wenig vertrauenserweckend machte. Ihre sicheren, gezielten Handgriffe ließen dennoch auf längere Übung schließen. Beide waren ernste Jungen, denen die lebhafte, Aufmerksamkeit fordernde Art vieler Altersgenossen fehlte.
    Nachdem Alice festgestellt hatte, dass ihr kostbarstes Gepäck sich an einem einigermaßen sicheren Platz befand, galt es, sich selbst in die richtige Reiseposition zu schwingen. Sie war natürlich bereits geritten, da es zur Ausbildung einer jungen Dame gehörte, auch ein paar Reitstunden zu nehmen. Allerdings fehlten hier der Damensattel sowie das kleine Podest, damit sie mühelos aufs Pferd steigen konnte. Sie würde breitbeinig dasitzen müssen wie ein Mann, doch sie besaß kein einziges Paar Hosen und hätte es niemals gewagt, in diesem fremden Land ein derart undamenhaftes Kleidungsstück zu erwerben. Nach langem Grübeln in der vergangenen Nacht war ihr eine Idee gekommen, wie sie ihre bunt zusammengewürfelte Reisekleidung reittauglich kombinieren konnte. Sie trug ihre langen, weißen Pantalons unter einem jener weit schwingenden Indio-Röcke, die sie von Elaine Palmer erworben hatte. Indio-Frauen saßen manchmal wie Männer auf ihren Reittieren, das war ihr aufgefallen, und trugen dennoch keine Hosen. Die Huaraches erwiesen sich als recht robustes Schuhwerk, mit dem sie sicher im Steigbügel steckte, als sie

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