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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
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trainieren, aber bei mir lief gar nichts.
    Ich finde, wir sollten heute mal ein bisschen mit ’nem Baseball rumspielen, wenn du Zeit hast, Henry, sagte er. Hast du einen Handschuh?
    Frank hatte keinen für sich, aber das machte nichts. Ihm war aufgefallen, dass es hinter unserem Grundstück ein offenes Feld gab, wo man trainieren konnte.
    Ich dachte, sie hätten dir grade erst den Blinddarm rausgenommen, sagte ich. Und ich dachte, wir seien deine Gefangenen. Was ist, wenn jetzt einer von uns beiden wegläuft, wenn du grade mal nicht hinschaust?
    Dann ereilt euch die gerechte Strafe, antwortete Frank. Ihr müsst wieder ein Teil der ordentlichen Gesellschaft werden.

    Danach erkundete Frank unser Grundstück und überlegte, wo man den Hühnerstall aufstellen könnte. Im Winter,
meinte er, bräuchten die Hühner nur genug Stroh, dann kämen sie gut durch. Die bräuchten auch nur einen warmen Körper zum Ankuscheln wie wir alle.
    Frank inspizierte unser Feuerholz, und als er hörte, dass es kürzlich erst geliefert worden war, erklärte er meiner Mutter, dass der Typ sie übers Ohr gehauen hatte.
    Ich würde das Holz ja hacken, sagte er, aber ich will meine Nähte nicht gefährden. Es ist bestimmt gemütlich hier, wenn im Winter Schnee liegt und man im Holzofen ein Feuer machen kann.
    Er reinigte die Filter unseres Boilers. Und beim Auto machte er einen Ölwechsel und ersetzte eine Sicherung vom Blinker.
    Wann hast du denn zum letzten Mal die Reifen wechseln lassen, Adele?, fragte er.
    Sie sah ihn nur wortlos an.
    Wenn wir schon dabei sind, sagte Frank, ich wette, niemand hat dir je gezeigt, wie man einen platten Reifen wechselt, oder, Henry? Ich sag dir eins: Es bringt’s nicht, es erst zu lernen, wenn er platzt. Vor allem nicht, wenn du ein Mädel neben dir sitzen hast, das du beeindrucken willst. Und du wirst schneller deinen Führerschein haben, als du jetzt vielleicht glaubst.
    Er wusch die Wäsche. Er bügelte, und als er den Boden wischte, wachste er ihn auch gleich noch. Er durchforstete unsere Speisekammer auf der Suche nach etwas, das er zum Mittagessen kochen konnte. Suppe.
    Er würde ja Campbell’s nehmen, meinte er, aber das Ganze gern noch verfeinern. Schade, dass wir kein frisches
Basilikum im Garten hätten. Nächstes Jahr vielleicht. Vorerst müsste man eben mit getrocknetem Oregano auskommen.
    Dann gingen wir auf die Wiese hinter dem Haus, mit dem neuen Baseball, den er beim Pricemart mitgenommen hatte.
    Als Erstes, sagte er, schau ich mir mal genau an, wie du den Ball hältst.
    Er beugte sich vor und legte seine langen Finger über die meinen.
    Da haben wir schon mal den ersten Fehler, sagte er. Du hältst den Ball falsch.
    Heute werfen wir noch nicht, sagte er, nachdem er mir den richtigen Griff gezeigt hatte. Seine Naht sei noch zu frisch, meinte er. Aber es sei ohnehin gut, wenn ich mich erst mal mit diesem Gefühl vertraut machen würde. Den Ball spüren. Ihn immer mal wieder hochwerfen, während ich rumlief.
    Und heut Abend, sagte er, möchte ich, dass du deinen Handschuh unter dein Kopfkissen legst. Atme den Geruch vom Leder ein. Dann bleibst du dran.

    Meine Mutter saß in der Küche und nähte Franks zerrissene Hose wie eine Pionierfrau oder eine Ehefrau aus einem alten Western. Sie hätte sie ihm auch gewaschen, aber dann hätte er nichts anzuziehen gehabt. Frank hatte sich ein Handtuch um die Hüften gewunden, und nachdem meine Mutter die schlimmsten Blutflecken in dem Stoff mit einem feuchten Lappen abgetupft hatte, machte sie sich ans Werk.

    Du beißt dir auf die Lippe beim Nähen, sagte er. Hat dir das schon mal jemand gesagt?
    Nein, und auch all die anderen Sachen nicht, die ihm an diesem Tag an meiner Mutter auffielen. Ihr Hals, ihre Fingerknöchel – keine Ringe, sagte er, was schade sei, denn sie habe so hübsche Hände. An einem Knie hatte sie eine Narbe, die mir auch noch nie aufgefallen war.
    Woher hast du die, Süße?, fragte er sie, als sei es völlig normal, sie so zu nennen.
    Bin bei einer Aufführung in meiner Tanzschule zu »Stars and Stripes Forever« schnurstracks von der Bühne getanzt, erklärte sie.
    Frank küsste die Narbe.

    Irgendwann am Spätnachmittag, nachdem die Hose genäht war und wir Suppe gegessen und Karten gespielt hatten und Frank mir einen Zaubertrick gezeigt hatte – wie man sich einen Zahnstocher aus der Nase zieht –, klopfte es an der Haustür.
    Frank war schon lange genug bei uns – beinahe einen ganzen Tag –, um zu merken, dass das sehr

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