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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
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habe eine Narbe über dem Auge und vermutlich eine Tätowierung von einem Messer oder einer Harley am Hals, irgend so etwas. Und jetzt war der Augenblick gekommen, wo Frank eine Pistole oder vielleicht auch ein Messer zum Vorschein bringen und seinen
sehnigen muskulösen Arm um den Hals meiner Mutter legen würde, den er nun nicht mehr bewunderte. Dann würde er ihr das Messer auf die Haut drücken und uns zum Wagen dirigieren.
    Wir waren lediglich seine Fahrkarte über die Grenze des Bundesstaats. Das war die ganze Geschichte. Ich hatte mir schon viele Magnum -Folgen angeschaut, ich wusste Bescheid. Und als sich Frank uns beiden zuwandte, hielt er ein Messer in der Hand.
    Diese Pfirsiche, sagte er und sah dabei noch ernster aus als vorher. Wenn wir die nicht schnell verarbeiten, können wir sie vergessen.
    Und was willst du damit machen?, fragte meine Mutter. Ihre Stimme hatte einen Klang, den ich noch nie bei ihr gehört hatte. Sie lachte, aber nicht so, wie wenn man einen guten Witz hört, sondern wie wenn man sich gut fühlt und glücklich ist.
    Ich werd einen Pfirsich-Pie backen wie meine Großmutter früher, sagte Frank.
    Als Erstes brauchte er ein paar Schüsseln. Eine für den Teig, eine zweite für die Füllung.
    Frank schälte die Pfirsiche, und ich schnitt sie in Stücke.
    Die Füllung ist einfach, sagte Frank. Aber mit dem Teig ist das so eine Sache.
    Als Erstes musst du darauf achten, dass deine Zutaten so kühl wie möglich bleiben, sagte er. An einem heißen Tag wie diesem muss man sich ins Zeug legen. Da muss man sehr schnell arbeiten, damit sie nicht warm werden. Sollte das Telefon klingeln, während du mit dem Teig beschäftigt bist,
dann lass es klingeln. (Das würde wohl eher kein Problem sein in unserem Haus, wo manchmal tagelang niemand anrief außer vielleicht mein Vater, der die Verabredung fürs Wochenende bestätigen wollte.)
    Während Frank die Zutaten zusammensuchte, erzählte er von seinem Leben auf der Farm seiner Großeltern. Nach dem Traktorunfall seines Großvaters hatte seine Großmutter den Zehnjährigen alleine großgezogen. Eine strenge Frau, aber gerecht. Wenn man seine Pflichten nicht erledigt hatte, wusste man, was einem blühte, ohne Wenn und Aber: das ganze Wochenende über die Scheune sauber machen. Klare Regeln.
    Abends hatte sie Frank vorgelesen. Der Schweizerische Robinson. Robinson Crusoe. Das Dschungelbuch. Der Graf von Monte Christo. Damals gab es kein Fernsehen, sagte Frank, aber wir brauchten es auch nicht, so wie sie vorlas. Sie hätte zum Radio gehen können.
    Seine Großmutter hatte ihm auch gesagt, er solle nicht nach Vietnam gehen. Sie hatte beizeiten begriffen, dass diesen Krieg niemand gewinnen würde. Aber Frank dachte, er sei schlauer als alle anderen. Er wollte in der Reserve bleiben und sich vom Militär das Studium finanzieren lassen. Und fand sich im Handumdrehen mit achtzehn Jahren in einem Flugzeug nach Saigon wieder. Zwei Wochen vor der Tet-Offensive. Von den zwölf Männern in seinem Zug kehrten sieben in einer Kiste wieder nach Hause zurück.
    Ich fragte Frank, ob er seine Erkennungsmarken noch habe. Oder andere Souvenirs. Eine Waffe vom Feind oder so.

    Ich brauche nichts, was mich an diese Zeit erinnert, sagte er.

    Frank hatte schon so viele Pies gebacken in seinem Leben – nicht in letzter Zeit, aber Backen verlerne man ebenso wenig wie Fahrradfahren, meinte er –, dass er das Mehl nicht mehr abmessen musste. Zu meiner Information sagte er mir aber, dass er am liebsten drei Tassen Mehl nehme. Dann hätte man noch Teig übrig und könne eine Pfirsichtasche daraus machen oder ihn einem kleinen Leckermäulchen zum Kekseausstechen überlassen.
    Das Salz maß er auch nicht ab, meinte aber, es seien etwa Dreiviertel eines Teelöffels. Teig ist geduldig, Henry, sagte Frank. Du kannst alle möglichen Fehler machen, und es geht trotzdem noch gut. Nur eins darf dir nie passieren: Du darfst das Salz nicht vergessen. Es ist wie im Leben: Manchmal erweisen sich die kleinsten Sachen als die wichtigsten.
    Er wünschte sich den Teigmischer seiner Großmutter herbei. So ein Ding bekam man eigentlich auch in einem gewöhnlichen Supermarkt – nicht nur in irgendwelchen edlen Gourmet-Läden –, aber der von seiner Oma hatte so einen grünen Holzgriff gehabt.
    Erst gibt man das Backfett mit Mehl und Salz in die Schüssel. Dann vermengt man das Ganze mit dem Teigmischer, im Notfall – der hier gegeben zu sein schien – ging es allerdings auch mit ein paar

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