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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
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sorgte, dass alles in Ordnung war. Irgendwo ganz weit unten erwarteten die Bewohner der Erde ihre Rückkehr. Aber im Moment war die Zeit stehengeblieben, und die Erdatmosphäre war weit fort.

11
    Dann kam der nächste Morgen – Sonntag –, und wir mussten uns wieder der Realität stellen. Am Nachmittag würde mein Vater mich abholen, und obwohl ich ebenso wenig Lust auf das Ganze hatte wie er, würde ich mitgehen.
    Am Dienstag fing die Schule wieder an: siebte Klasse. Nichts, worauf ich mich freute, nur der alte Trott, und die Jungen, die Schwuchtel und Arschloch knurrten, wenn ich an ihnen vorüberging, würden wieder gewachsen sein, während ich – trotz des MegaMite, das meine Mutter mir verabreichte – so klein wie eh und je war.
    Die Mädchen würden über den Sommer größere Brüste bekommen haben, aber auch das bedeutete nur mehr Stress, weil ich noch größere Mühe haben würde, die Wirkung zu verbergen, wenn ich von meinem Platz aufstehen musste, um das Klassenzimmer zu wechseln. Jeder würde merken, was mein Problem war, wenn ich meine Bücher vor den Unterleib hielt, während ich von Sozialkunde zu Englisch, von Englisch zu Naturwissenschaften, von Naturwissenschaften in die Cafeteria ging. Auch wenn sich keiner dafür interessierte, würde mein nutzloser Ständer sich unermüdlich bemerkbar machen, so wie sich Alison Smoat in Sozialkunde ständig meldete, auch wenn der Lehrer sie gar nicht aufgerufen
hatte. Weil er nämlich – wie wir alle – wusste, dass dieses Mädchen nicht mehr zu reden aufhörte, wenn sie erst einmal angefangen hatte.
    Es würde Basketball-Probespiele geben. Die Klassensprecherwahl. Das Casting für das Musical im Herbst. Die Schüler, die sich dabei Chancen ausrechneten, würden in der Cafeteria bestimmte Tische besetzen und deutlich machen, dass alle anderen bloß nicht auf die Idee kommen sollten, sich da niederzulassen. Der Rektor würde seine übliche Rede über Sozialverhalten und Drogen ablassen; die Gesundheitsbeauftragte würde verkünden, dass wir zu jung seien für Sex, und uns dann vorführen, wie man ein Kondom über eine Banane zieht. Als würde ich so was jemals brauchen – in den nächsten Jahren oder überhaupt.
    Du musst dir genau vorstellen, was passieren soll, hatte Frank mir von seiner Position aus auf dem imaginären Pitcher’s Mound erklärt. Aber wenn ich mir etwas genau vorstellte, tat ich das hauptsächlich im Bett.
    Ich stellte mir vor, wie Rachel McCann ihren BH für mich auszog. Siehst du, wie groß die geworden sind über den Sommer?, fragte sie. Magst du sie anfassen?
    Ich stellte mir vor, wie ein Mädchen, das ich nicht mal identifizieren konnte, von hinten auf mich zutrat, während ich im Umkleideraum mit dem Vorhängeschloss an meinem Spind beschäftigt war. Sie legte mir die Hand über die Augen, drehte mich herum und steckte mir die Zunge in den Mund. Ihr Gesicht konnte ich nicht erkennen, aber ich spürte ihren Busen an meiner Brust und ihre Zunge an meinen Zähnen.

    Oder meine Mutter sagt zu mir: Fahr du doch heute mal, Henry. Wie wär’s mit einem Ausflug zum Strand?
    Aber bei diesem Ausflug sind wir nicht zu zweit, sondern zu dritt. Sie ist hinten, ich fahre, Frank sitzt neben mir und achtet darauf, dass ich alles richtig mache, wie Väter es eben tun, nur meiner nicht.
    Wir könnten auch aus der Stadt rausfahren, sagt Frank. Richtung Norden. Mal was andres sehen.
    Wir stellen Joes Käfig zu meiner Mutter auf die Rückbank, packen vielleicht noch ein paar Bücher, ein Kartenspiel, die Kassette mit den traurigen irischen Liedern, die meine Mutter so gerne mag, und ein paar Kleider dazu. Keinen Proviant. Wenn wir Hunger kriegen, gehen wir unterwegs in ein Restaurant. Ich werde meine Comics mitnehmen, aber keine Rätselbücher. Mir fällt jetzt auf, dass ich die Rätselbücher nur so gerne mochte, weil sonst nichts los war. Aber das ist ja jetzt anders.
    Und obwohl mich das selbst wundert, würde ich vielleicht sogar meinen Baseball und den Handschuh in den Kofferraum packen. Wenn mein Vater vorschlug, dass wir Catchen üben sollten, wurde mir immer mulmig, aber mit Frank hatte es wirklich Spaß gemacht. Mit ihm kam ich mir dabei nicht lächerlich vor.
    Wir fahren Richtung Norden, nach Maine, und hören dabei Radio. In einem kleinen Lokal am Strand in Old Orchard Beach essen Frank und ich Hummer-Sandwiches. Meine Mutter nimmt Fish and Chips.
    Mann, die schmecken echt viel besser als Fertiggerichte, sagt sie und steckt Frank ein Stück

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