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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
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er damit meine Mutter meinte und nicht mich.
    Er hatte uns bislang nicht erzählt, wie lange er schon im Gefängnis gewesen war und wie lange er noch dort hätte bleiben müssen. Ich hätte es in der Zeitung nachlesen können, aber das wäre mir irgendwie hinterhältig vorgekommen. Genauso wie danach zu fragen, weshalb er überhaupt im Knast gelandet war.
    Die beiden spülten das Geschirr ab. Was früher meine Aufgabe gewesen war, aber ich wurde dafür nicht mehr gebraucht.
    Ich wanderte ins Wohnzimmer, legte mich auf die Couch, schaltete den Fernseher ein, zappte durch die Kanäle und horchte.
    So schön es auch ist, morgens so aufzuwachen wie in diesen Tagen, Adele, hörte ich Frank sagen (das hieß, neben meiner Mutter in ihrem Bett), werd ich mich doch erst wieder als freier Mann fühlen, wenn ich mit dir im Arm die Straße entlangspazieren kann. Das ist alles, was ich mir vom Leben wünsche.
    Nova Scotia, sagte sie. Prince Edward Island. Da wirst du in Ruhe gelassen.
    Sie könnten Hühner halten. Einen Garten anlegen. Dort floss der Golfstrom durchs Meer.

    Mein Ex-Mann würde niemals zulassen, dass ich Henry mitnehme, sagte meine Mutter.
    Du weißt, was das heißt, oder?, erwiderte er.

    Sie gingen weg und ließen mich zurück. Die ganze Zeit hatte ich mir vorgestellt, wie unser Leben zu dritt aussehen würde, wie wir im Garten Catchen üben würden. Aber die beiden wollten alles alleine machen. Und mich hier zurücklassen. Das schloss ich zumindest aus ihren Worten.
    Sie würden zur Bank fahren – nicht heute und morgen, weil sie da geschlossen hatte, aber übermorgen. Es war ein paar Jahre her, seit meine Mutter zum letzten Mal die Bank betreten hatte, aber diesmal würde sie es tun. Diesmal würde sie selbst zum Schalter gehen – während Frank im Wagen wartete – und sagen, dass sie Geld abheben wolle. Zehn Minuten später – denn so lange würde es wohl dauern, bis man die Scheine gezählt hatte – würde sie mit dem Geldsack zum Auto zurückgehen und ihn verstauen.
    Lass uns die Fliege machen, würde Frank sagen. Das hatte ich mal jemanden in einem alten Western sagen hören.
    Ich werde ihn schrecklich vermissen, würde meine Mutter sagen, womit sie mich meinte. Vielleicht würde sie sogar anfangen zu weinen, aber Frank würde sie trösten, und sie würde bald wieder damit aufhören.
    Du kannst noch ein Kind haben, würde Frank sagen. Wie dein Ex-Mann. Das ziehen wir dann zusammen groß, du und ich.
    Außerdem wird es deinem Sohn gut gehen. Er kann bei seinem Vater leben. Und der Stiefmutter und deren zwei
Kindern. Die werden Spaß haben zusammen. Sein Vater wird ihn beim Baseball coachen.
    Obwohl ich es nicht wollte, sah ich diese Szene immer wieder vor meinem geistigen Auge. Frank, wie er meiner Mutter übers Haar strich und ihr sagte, dass ich sie doch gar nicht mehr bräuchte. Sie, die den Kopf an seine Schulter legte und ihm glaubte.
    Er ist doch kein kleines Kind mehr, würde Frank sagen. Ich weiß zufällig, dass er nur noch daran denkt, wie er den Mädchen an die Wäsche gehen kann. Er wächst heran. Wenn du daran zweifelst, schau dir mal sein Bettlaken an. Ein Junge in diesem Alter hat nur eins im Kopf.
    Rachel McCanns Schenkel. Sharon Sunderlands Höschen. Die Titten von Nachtclubtänzerinnen in Las Vegas.
    Es wird Zeit, dass du zur Abwechslung auch mal an dich denkst, Adele, würde er sagen. Jetzt war Schluss mit dieser Ehemann-für-einen-Tag- Geschichte. Frank würde für immer ihr Ehemann sein.

    Ich war absichtlich laut, als ich in die Küche kam, aber manchmal war ich mir nicht mal sicher, ob die beiden das überhaupt noch wahrnahmen, weil sie so tief in ihrer eigenen Welt versunken waren. Der Welt, in der es nur zwei Leute gab: sie und ihn. Aber als ich den Milchkrug aus dem Kühlschrank nahm, um mein Müsli zu machen – zur Abwechslung mal echte Milch, das war Franks Idee gewesen –, redeten sie über etwas anderes. Frank war ein Fleck am Boden neben der Dusche aufgefallen, wo das Wasser unters Linoleum gedrungen war und dort Holzfäule verursachte.
Darum wollte er sich heute kümmern. Die Fliesen abnehmen und das verfaulte Holz darunter entfernen und durch trockenes ersetzen.
    Aber vielleicht sind wir gar nicht mehr so lange hier, sagte sie.
    Trotzdem, erwiderte er. So was auszubessern ist immer gut. Ich würde das ungern jemand anderem hinterlassen.
    Das war der Beweis. Sie wollten abhauen. Und was würde dann aus mir werden?

12
    Beim Frühstück erzählte Frank uns von der Farm

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