Der Duft von Hibiskus
würde ich ihn nie mehr wiedersehen! Wie soll ich ihm in die Augen schauen, wo ich jetzt weiß, welch scheußliche Dinge er über mich denkt?«
Carl umfasste ihren Nacken sanft mit seiner Hand. »Nicht du bist es, die sich schämen muss. Er ist es, der es nicht mehr wagen sollte, dir in die Augen zu sehen.«
»Aber alle haben es gehört! Krüger und Pagel und … du. Gott, es ist so demütigend!«
Er zog sie zu sich heran, und sie verbarg das Gesicht an seinem Hals.
Zärtlich sagte er: »Lass dich nicht unterkriegen, Emma. Nicht von einem Mann, der so offensichtlich mit seiner Herkunft hadert. Der voller Komplexe steckt und jeden hasst, der besser mit sich selbst zurechtkommt.«
Obwohl sie sich immer noch schämte, musste Emma lachen. »So wie du über ihn sprichst, könnte man fast Mitleid mit ihm bekommen.«
»Aber nur fast. Ich werde ihn trotzdem zwingen, sich in aller Form bei dir zu entschuldigen.«
Emma löste sich von Carl. »Das wird er niemals tun!«
»Oh doch.« Carl sah sehr grimmig aus. »Denn wenn er es nicht tut, ist das heute sein letzter Tag bei uns. Dann werde ich eine Botschaft an die Kolonialregierung schicken, dass Oskar Crusius untragbar für uns geworden ist und ich nicht bereit bin, ihn weiter in meiner Gruppe zu dulden.«
»Ich arbeite doch für ihn«, sagte Emma leise.
»Leider. Du solltest dir überlegen, ob du diese Arbeit nicht ganz niederlegen willst, Emma.«
»Und wovon lebe ich dann, bis mein Antrag bewilligt wird? Wenn er bewilligt wird.«
»Ich lasse dich schon nicht verhungern. Mein Lohn reicht für uns beide, weißt du?« Als er ihre ablehnende Miene sah, seufzte er. »Ach, Emma, warum bist du nur so verdammt stolz? Du bist eine Frau, es ist normal, dass du kein eigenes Geld verdienst!«
»Für mich nicht mehr«, sagte sie bestimmt. »Deshalb werde ich noch so lange für Oskar arbeiten müssen, bis die Kolonialregierung mich als Forscherin anstellt.«
»Du möchtest lieber von Oskar abhängig sein als von mir?!«
»Ja. So komisch das klingt: Wenn Oskar mich maßregelt und herumkommandiert, dann ärgert mich das bloß. Er ist mir egal! Aber du …« Emma rang um die richtigen Worte, »Carl, du bist der erste Mann, der es mir wirklich erlaubt, ihm auf Augenhöhe zu begegnen. Ich will, dass das so bleibt. Ich werde den Teufel tun, diesen Zustand durch ein selbst gewähltes Abhängigkeitsverhältnis zu gefährden.«
»Du erwartest nicht, dass ich das verstehe, oder?« Carl seufzte. »Aber gut. Du bist erwachsen. Du entscheidest, was richtig für dich ist.«
Sie lächelte. »Danke, Carl.«
»Geht’s dir denn nun besser?«, wollte er wissen.
»Ja. Deshalb werde ich jetzt zeichnen. Oskar soll sehen, dass er mich nicht unterkriegt.«
Zärtlich betrachtete er sie. »Was bist du nur für eine ungewöhnliche Frau!«
»Ich hoffe, das war ein Kompliment?«, fragte sie.
Er lächelte nur. Doch der Blick, den er ihr zuwarf, war Antwort genug.
Emma legte den Bleistift nieder und lehnte sich auf ihrem harten Holzstuhl zurück. Es war später Vormittag, und sie musste sich eingestehen: Was sie heute gezeichnet hatte, war samt und sonders schlecht geworden. Seelenlose Abbildungen, zu Papier gebracht mit zitternder Hand und Wut im Herzen.
Kein Wunder, dachte sie. Wie sollte sie für einen Mann arbeiten, der sich vorstellte, sie »in den ehelichen Laken zu bezwingen«? Sie würde ihm nie wieder eine Zeichnung zeigen können, nie wieder mit ihm sprechen, ohne dass ihr sofort dieses Bild in den Kopf kommen würde.
Sie beschloss missmutig, die Arbeit für heute ruhen zu lassen und Carl zu fragen, ob sie schon jetzt zu den Eingeborenen gehen wollten. Vielleicht würde sie morgen wieder besser zeichnen, wenn die Schmach durch Oskars Beleidigungen nicht mehr gar so gegenwärtig wäre. Dann würde sie die liegen gelassene Arbeit aufholen.
Langsam ging sie zu Carls Arbeitszimmer. Wahrscheinlich hatte er noch gar keine Zeit für sie. Ob sie dann alleine gehen sollte? Vor dem Regenwald hatte sie keine Angst, vor den Eingeborenen sowieso nicht. Aber Oskar über den Weg zu laufen – ja, sie musste zugeben, diese Vorstellung fürchtete sie.
Wenn ihr Antrag nur bald bewilligt würde! Dann wäre sie nicht mehr gezwungen, Oskar zu ertragen.
Sie klopfte und hörte Carl unwirsch »Herein« rufen. Sicher vermutete er in dem frühen Besucher Oskar, da Pagel und Krüger ja im Regenwald waren. Sein Blick war dementsprechend finster, als sie eintrat.
»Emma!« Carls Stirn glättete sich. »Was
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