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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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aber gleich wieder ernst. »Gleichzeitig habe ich, seit ich denken kann, diesen seltsamen Forscherdrang in mir. Den habe ich wohl von meinem Vater geerbt, er ist Professor an der Münchner Universität. Tja, da habe ich es meinem alten Herrn eben gleichgetan und Medizin studiert.«
    »Warum bist du danach nicht Arzt geworden?«
    »Ich wäre erstickt«, sagte Carl nüchtern. »Das beschauliche bayerische Leben ist einfach nichts für mich, Emma. Noch während des Studiums ist mir klar geworden, dass ich frei sein möchte. Aber das hätte ich weder als praktischer Arzt noch in den ehrwürdigen Hallen der Wissenschaft sein können.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Also bin ich ausgewandert. Denn hier in Australien geht beides: forschen und das Leben eines Abenteurers führen.« Mit verlegenem Lächeln fügte er hinzu: »Du musst mich für einen komischen Vogel halten.«
    »Nein«, lächelte Emma. »Den komischen Vogel hatten wir zum Abendessen.«
    Sie schwieg einige Augenblicke nachdenklich.
    Dann sagte sie: »Ich halte dich nicht für komisch, sondern für einen Mann, der seiner wahren Natur folgt. Seiner Bestimmung. Im Gegensatz zu Oskar bist du nicht hier, weil du das Geld liebst, sondern weil du das Forschen liebst. Das ist doch wunderbar.«
    Carl warf ihr einen Blick zu, den sie nicht zu deuten wusste, und fragte langsam: »Und du, Emma? Weshalb bist du hier?«
    Sie senkte den Kopf, ohne zu antworten.
    »Ist es nicht seltsam?«, fragte er leise. »Man kann das, was in der Vergangenheit geschehen ist, so wunderbar vergessen, unter freiem Himmel und zwischen Eukalyptusbäumen. Aber Weihnachten … an Weihnachten holt uns alles wieder ein.«
    »Nein«, sagte sie und schüttelte heftig den Kopf. »Nichts holt uns ein. Was vorbei ist, ist vorbei!«
    »Jeder von uns hat seine Geschichte, und es ist oft schwer, Frieden mit ihr zu schließen. Doch wir sollten es zumindest versuchen. Findest du nicht?«
    Alles in ihr sträubte sich gegen seine Worte.
    »Was meinst du damit?«, brauste sie auf. »Was weißt du denn von meiner Geschichte?«
    »Nichts«, sagte Carl schlicht. »Aber manchmal finde ich nachts keine Ruhe und wandere im Lager herum. Dann höre ich dich im Schlaf weinen.«
    Er hob die Hand und legte sie für die Dauer eines Wimpernschlages auf ihre Wange, so sacht, dass sie nicht sicher war, ob er sie wirklich berührt hatte. »Gute Nacht, Emma. Und trotz allem – frohe Weihnachten.«
    Carl stand auf und ging zurück in sein Zelt, und Emma starrte ins Feuer, bis es zischend und endgültig in sich zusammenfiel.

13
    D er tagelange, stetige Marsch durch die Hitze zurück nach Brisbane war anstrengender als alles, was Emma bisher erlebt hatte. Doch nicht nur deshalb schwieg sie die meiste Zeit. Sie war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um Lust auf Plaudereien zu verspüren.
    Hatte sie es sich auf dem Schiff und während der ersten Tage in Australien noch energisch verboten, zu viel an daheim zu denken, so ließ sie jetzt zu, was immer aus den Tiefen ihres Selbst ans Licht wollte.
    Denn wenn ihr bei dem Gespräch am Heiligen Abend eines klar geworden war, dann das: Sie konnte die Vergangenheit nicht einfach ruhen lassen. Wenn es wirklich so war, dass ihre Schuld sie immer wieder einholen würde, dann wollte Emma das Messer zumindest nicht auf der Flucht in den Rücken gestoßen bekommen. Stattdessen würde sie stehen bleiben und dem entgegensehen, was sie verfolgte – was immer es war. Denn nur wenn sie es erkannte, hatte sie eine Chance, es zu besiegen. Eine winzige Chance allerdings, wie sie angesichts ihres Gedächtnisverlustes einräumen musste.
    Irritiert bemerkte sie, dass sie mittlerweile ohne Schmerz und Trauer an Ludwig denken konnte. Lediglich eine leise Wehmut begleitete ihre Erinnerungen, manchmal auch Erstaunen darüber, wie sie selbst gehandelt und empfunden hatte. Ab und zu war es ihr, als zöge jemand einen Schleier von ihren Augen: Dann sah sie bestimmte Ereignisse aus ihrer Zeit mit Ludwig in ganz neuem Licht, einem Licht, das nicht strahlend hell war, sondern trübe und kühl.
    Verschwand die Liebe zu Ludwig deshalb aus ihrem Herzen, langsam, aber unaufhaltsam?
    Dass ihre Sehnsucht immer schwächer wurde und ihr Blick auf Ludwig kritischer, bedrückte Emma. Sie hatte doch geschworen, Ludwig auf ewig zu lieben. Nun waren sie noch kein Jahr lang getrennt, und die Ewigkeit war bereits am Ende angelangt. War sie so treulos, so oberflächlich? Der Gedanke erschreckte sie. Oder – und dieser

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