Der Duft von Orangen (German Edition)
ein Problem? Okay, ich konnte verstehen, dass es nervig war, von vollkommen Fremden Komplimente über seinen Schwanz zu hören. Selbst wenn er sich für seine Film-Karriere nicht schämte, war sie doch schon seit über dreißig Jahren vorbei. Ich respektierte, dass er nicht mehr für die Arbeit gelobt werden wollte, die er vor so langer Zeit gemacht hatte, für einen Körper, der inzwischen ganz anders aussah. Ich respektierte, dass er nicht für sein Aussehen gemocht werden wollte. Was ich jedoch nicht verstand, war, wieso er mich so kalthatte abblitzen lassen, als wenn er mir nie einen Tee gekocht und Kekse angeboten hätte. Das war eine Unfreundlichkeit allererster Güte, aber ich wollte nicht glauben, dass er ein Arschloch war. Dazu war ich viel zu sehr in ihn verknallt.
Johnny konnte nichts von meinem und Jens Videomarathon wissen. Er hatte keine Ahnung von den Episoden und heißen Träumen, in denen er die Hauptrolle spielte. Ich hasste es, von ihm mit den verrückten Fans in einen Topf geworfen zu werden, die ihm im Mocha auflauerten. Ich war auch nicht in dieses Haus gezogen, um in seiner Nähe zu sein, verdammt noch mal. Wir waren einfach Nachbarn.
Bei der Erinnerung an den Keks knurrte mein Magen. Was hatte er gesagt? Selbst gemacht schmecken sie besser? Und wäre es nicht sehr nett von mir, ihm welche zu backen?
Innerhalb weniger Minuten hatte ich alle Zutaten ausgebreitet, die ich brauchte. Ich hatte dieses Haus auch wegen der tollen Küche gekauft, die von den vorherigen Besitzern neu gestaltet worden war. Zwar nicht in den Farben oder mit den Geräten, die ich ausgesucht hatte, aber dafür mit dieser großartigen Insel in der Mitte, die als Arbeitsfläche und Essplatz diente. So brauchte ich keinen Küchentisch.
Ich hatte alle Zutaten da, besaß sogar Rührschüsseln und Messbecher. Was ich nicht hatte, war ein Rezept. Zumindest kein gutes. Noch nie hatte ich die Chocolate Chip Cookies meiner Großmutter ganz allein gebacken.
Das Telefon am Ohr, die Kurzwahltaste mit der Nummer meiner Mutter gedrückt, fiel mir auf, dass ich seit drei Tagen nicht mehr mit ihr gesprochen hatte. Drei Tage. Ich konnte mich nicht daran erinnern, jemals länger als zwei Tage keinen Kontakt mit ihr gehabt zu haben. Wenn ich sie nicht anrief, rief sie mich an und hinterließ solange Nachrichten, bis ich mich meldete.
Sie ging ran, bevor ich zu lange darüber nachdenken konnte. „Hallo?“
„Mom, ich bin’s, Emm.“ Ich hatte auf einmal das Bedürfnis, meinen Namen dazuzusagen, als hätte sie mehr als eine Tochter.
„Emmaline. Hey! Wie geht es dir?“
Sie fragte mich nicht, was los war. Das war sowohl ein Grund zur Freude als auch zur Besorgnis. „Ich brauche Grandmas Chocolate-Chip-Cookie-Rezept.“
„Du backst?“
„Äh … ja.“ Ich lachte. „Warum sollte ich es wohl sonst brauchen?“
„Ich habe seit Ewigkeiten keine Kekse mehr gebacken“, sagte meine Mom.
Ich hörte für einen Moment auf, die Packung Mehl in die Dose zu schütten, die ich noch nie zuvor benutzt hatte. „Wirklich? Wie kommt’s?“
„Na ja … dein Dad und ich versuchen, weniger Süßes zu essen und wieder ein bisschen in Form zu kommen.“
„Oh.“ Ich dachte mir nichts dabei. Meine Mom setzte meinen Dad mehrmals im Jahr auf Diät und schwor oft, auch selber bald eine zu machen, aber sie beide liebten es viel zu sehr, zu essen und keinen Sport zu treiben – eine Neigung, die ich leider geerbt hatte. „Und, wie läuft’s damit so?“
„Ach, du kennst doch deinen Dad. Er sagt, er hält sich daran, aber ich weiß, dass er heimlich Burger und Pommes frites isst.“
„Vielleicht würde er das nicht tun, wenn du ihm ab und zu einen Keks backst.“ Wir kicherten beide, weil wir wussten, dass mein Dad niemals Burger und Pommes frites gegen Kekse eintauschen würde, egal wie gut sie waren.
„Ah, ich hab’s gefunden“, sagte meine Mom triumphierend. „Es steckte hinten in dem Kochbuch, dass Tante Min mir vor ein paar Jahren zu Weihnachten geschenkt hat.“
„Welches? Das mit den fettfreien Backrezepten?“ „Ja.“
„Mom, warum steckst du das Rezept für Chocolate Chip Cookies ausgerechnet in das Buch?“
„Weil“, sagte meine Mutter, als wäre allein schon die Frage ein Zeichen meiner Dummheit, „ich wusste, dass ich dort nie danach suchen würde.“
Wir lachten wieder. Mich packte ein leichtes Heimweh. Ich hatte so viele Abende damit verbracht, zusammen mit meinerMutter Kekse zu backen oder den Teig für
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