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Der Duft von Orangen (German Edition)

Der Duft von Orangen (German Edition)

Titel: Der Duft von Orangen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Hart
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Früchtekuchen und Tartes auszurollen. Meine Mom war eine exzellente Bäckerin, die mir sehr viel beigebracht hatte, aber für mich allein backte ich selten. Jetzt fehlte es mir. Sie fehlte mir.
    „Emm? Du bekommst doch wohl keine Erkältung? Oder, Gott behüte, die Grippe? Du solltest dieses … wie heißt es noch mal, dieses Zeug, von dem deine Cousine mir erzählt hat? Irgendetwas mit oszillierend oder so.“
    Sie meinte Oscillium, ein Grippemedikament. „Mir geht es gut. Wie geht das Rezept?“
    Sie antwortete nicht, und ich hielt erneut inne. Meine Mom konnte nichts jemals einfach gut sein lassen. Wenn sie auch nur den Hauch eines Verdachts hatte, dass mit mir etwas nicht stimmte, verbiss sie sich darin wie ein Welpe im Hosenbein.
    „Hast du alle Zutaten?“
    „Ja.“
    „Fett?“ Sie klang misstrauisch. „Eier?“ „Ja, Mutter.“
    „Denn, Emmaline, du weißt, dass du ohne Eier keine Kekse backen kannst.“
    Nur weil ich es einmal probiert hatte … „Daran wirst du mich wohl noch erinnern, wenn ich alt und schwach bin, oder?“
    „Stimmt.“ Ich hörte das Lächeln in ihrer Stimme, hörte die Liebe.
    Ich schniefte, legte aber rechtzeitig meine Hand über die Sprechmuschel, damit meine Mom es nicht hörte. Ich wollte nicht, dass sie sich Sorgen um mich machte. Andererseits wollte ich auch nicht, dass sie sich keine Sorgen um mich machte.
    Sie führte mich Schritt für Schritt durch das Rezept, während sie mich parallel über den neuesten Familienklatsch und die Geschichten aus der Nachbarschaft auf dem Laufenden hielt. Ihre Nachbarschaft, nicht meine. Sie erzählte mir, welche alten Schulfreunde von mir sie gesehen hatte – teilweise hatte ich mit ihnen seit Jahren kein Wort mehr gewechselt.
    „Du verbringst mehr Zeit mit meinen alten Freunden als ich“, sagte ich und ließ den letzten Keks auf das Backblech gleiten,das ich sodann in meinen erschreckend sauberen Ofen schob. Ich leckte den Löffel ab.
    „Davon bekommst du Salmonellen“, ermahnte mich meine Mutter.
    „Hey, du kannst mich gar nicht sehen.“
    „Aber ich kenne dich, Emmaline. Ich bin deine Mutter. Oh, ich muss los! Meine Serie fängt gleich an. Bye, Emm. Hab dich lieb.“
    Sie legte auf, bevor ich noch fragen konnte, welche Serie sie meinte. Die Tatsache, dass ich keine Ahnung hatte, bewies einmal mehr, wie sehr ich mich seit meinem Auszug verändert hatte. Und das ist gut, sagte ich mir und legte den Hörer beiseite. Ich stellte die Uhr am Ofen ein. Die letzten paar Monate zwischen meiner Entscheidung, den Job in Harrisburg anzunehmen und hierherzuziehen, und dem tatsächlichen Umzug waren schrecklich gewesen.
    Die meisten Mütter und Töchter, die ich kannte, hatten die üblichen Streitereien und Kämpfe miteinander ausgetragen. Töchter mussten ihren Müttern entwachsen. Mussten aufs College gehen. Ausziehen. Frau werden. Ich war unter den wachsamen Augen meiner Mom zur Frau geworden und hatte mich an ihr aufgerieben, obwohl ich wusste, dass ich keine andere Wahl hatte. Als meine Ärztin mir nach dem ersten Jahr ohne Anfälle das Autofahren wieder erlaubte, nahmen die Sorgen meiner Mutter nicht ab, sondern wurden sogar noch schlimmer. Ich konnte ihr deswegen keinen Vorwurf machen. Ich verstand, warum sie so nervös war. Mein Gehirn hatte definitiv eine Schädigung erlitten, die nicht geheilt, sondern nur geringfügig behandelt werden konnte. Mom blieb nichts anderes übrig, als die Daumen zu drücken und zu beten.
    Trotzdem war es in den paar Monaten, nachdem ich die neue Arbeit angenommen hatte und bevor ich in mein neues Haus zog, beinahe unerträglich, zu Hause zu wohnen. Die erdrückende Fürsorge meiner Mutter trieb mich beinahe in den Wahnsinn. Wir stritten uns heftiger und länger als jemals während meiner Jugend. Es hatte mehr als einen Abend gegeben, an dem ichvor Wut schäumend ins Bett gegangen und am nächsten Morgen immer noch verärgert aufgewacht war – und ich bin mir sicher, dass es ihr genauso ging. Sie hatte Angst, mich gehen zu lassen, und ich hatte Angst, niemals auf eigenen Füßen stehen zu können. Jetzt, in dem Haus, das ich mir nur leisten konnte, weil ich im Gegensatz zu meinen Freunden so viele Jahre mietfrei gewohnt hatte, wollte ich meine Mutter zurückrufen und ihr sagen, wie leid es mir tat, dass ich auf ihre Sorgen oft so rotzig reagiert hatte.
    Stattdessen leckte ich jedoch den Keksteig vom Kuchenschaber und forderte die Salmonellen heraus, sich meiner zu bemächtigen. Wissentlich alles zu

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