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Der Duft von Orangen (German Edition)

Der Duft von Orangen (German Edition)

Titel: Der Duft von Orangen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Hart
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die Küche und aß etwas Suppe und ein Toastbrot – noch mehr Invalidennahrung, obwohl ich nicht krank war. Also machte ich mir einen Teller hausgemachter Makkaroni mit Käse warm, die meine Mom mir mitgegeben hatte. Mit dem Magen voller Kohlenhydrate und Fett fühlte ich mich schon viel besser.
    Ich wusste, ich sollte Dr. Gordon anrufen und einen Termin zur Untersuchung vereinbaren. Aber ich wusste auch, dass sie sich unabhängig von den Ergebnissen verpflichtet fühlen würde, mich dem Staat zu melden. Dann wäre mein Führerschein wieder für ein Jahr weg. Ja, es war unverantwortlich von mir, es ihr nicht zu sagen. Ich könnte mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit und zum Einkaufen fahren, Dank an Sankt Vitus, den Schutzpatron der Epileptiker. Dabei war ich noch nicht einmal Epileptikerin. Ich wusste nicht, was ich hatte.
    An Werktagen war ich nur selten zu Hause, und so erschreckte das Klappern an meiner Haustür mich, als ich durch den Flur ging. Dann erkannte ich, dass es von meinem Briefkasten draußen kam. Ich öffnete die Tür. Die Paketbotin war schon wieder auf halbem Weg zu ihrem Wagen. Ich schnappte mir den gelben Benachrichtigungszettel und winkte damit, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
    „Hallo!“
    Sie lächelte. „Oh, Sie sind zu Hause. Sie Glückliche! Ich habe ein Päckchen für Sie, das nicht in Ihren Briefkasten passt. Ich wollte es gerade wieder mitnehmen, damit Sie es später auf dem Postamt abholen können.“
    „Ja, da habe ich wirklich Glück gehabt.“ Ich reichte ihr den Schein. Sie übergab mir einen Umschlag mit einem mir unbekannten Absender. „Danke.“
    Zurück im Haus riss ich den Umschlag auf. Eine DVD fiel mir in die Hände. Nacht der hundert Monde . Mein Magen zog sich ein wenig zusammen, so wie in der Achterbahn kurz vor derersten Abfahrt. Ich schaute mir die Hülle genau an. Der Einleger wirkte kopiert und nicht professionell produziert. Ich drehte die Hülle um. Auf der Rückseite der gleiche Eindruck. Die Bilder und der Text waren ein wenig verblichen und schief. Die DVD selber war schlicht silberfarben mit einem aufgeklebten Label.
    Huh.
    Ich hatte vor dem Kauf nicht wirklich darauf geachtet, weil Jen gesagt hat, es handle sich um einen seltenen und schwer zu findenden Film. Mir behagte die Vorstellung nicht, eine Raubkopie gekauft zu haben, aber jetzt war es zu spät. Ich konnte nur hoffen, dass mein DVD-Player die Scheibe auch abspielte.
    Ich hätte sie anrufen sollen. Ich hatte es versprochen. Aber Jen war jetzt auf der Arbeit, und ich war allein zu Hause. Krankheitstage waren dafür gemacht, den ganzen Tag im Bett zu liegen und Filme zu gucken. Und dieser hier brannte so zwischen meinen Fingern, dass ich auf keinen Fall bis zum Abend warten konnte, um ihn mit Jen gemeinsam anzusehen. Ich war mir sicher, dass ich ihn sowieso noch ein zweites Mal sehen wollte. Sie musste ja nicht wissen, dass ich ihn schon kannte. Obwohl – ich war mir sicher, sie würde es verstehen. Sie hatte sich ja auch alle Filme von Johnny angeschaut, lange bevor sie mich damit angesteckt hatte.
    Endlich hatte ich einen Grund, den DVD-Player, den meine Eltern mir letztes Jahr zu Weihnachten gekauft hatten, in meinem Schlafzimmer anzuschließen. Mit dem Geschenk hatten sie die Tatsache feiern wollen, dass ich nun wirklich auszog und meine eigenen Geräte brauchte. Ich hatte dann auch ihren alten DVDPlayer mitgenommen und ihnen dafür einen Blu-Ray-Player gekauft. Seit meinem Einzug hier hatte ich bisher nur im Wohnzimmer Filme geschaut, weil ich entschlossen gewesen war, wie eine Erwachsene zu leben und nicht mehr wie ein Teenager, der im Keller seiner Eltern wohnte.
    Jetzt kam ich mir allerdings überhaupt nicht wie ein Teenager vor, sondern herrlich dekadent. Ich war Besitzerin von zwei DVD-Playern, zwei Fernsehern, ich war an einem Werktag zu Hause und hatte Zeit, im Bett herumzulungern und mir Kunstfilmeanzuschauen. Das war so weit entfernt von letztem Jahr, als ich mich immer noch nach Mitternacht ins Haus geschlichen habe, als hätte ich von meinen Eltern eine Zeit vorgeschrieben bekommen und als dürfte mein Freund nicht bei mir übernachten. Jetzt hatte ich mein eigenes Haus und keinen Freund, aber das war in meinen Augen ein guter Tausch.
    Ich holte mir eine Schüssel Eis – Schoko und Karamell – und kroch mit der Fernbedienung in der Hand unter die dicke Decke.
    Nachdem ich mir die Kissen zurechtgerückt hatte, drückte ich Play.
    Ich kannte das Haus. Ich kannte die Küche.

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