Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
Marokkaner. Ich konnte mich frei bewegen. Ich konnte nach Belieben irgendwo stehen bleiben und beobachten, konnte lauschen. Es war so viel einfacher, seine Umwelt kennenzulernen, wenn man nicht ständig auf der Hut sein musste.
Plötzlich erblickte ich Mohammed mit dem kleinen Affen auf der Schulter, ohne dass er mich bemerkte. Ich sah den Schlangenbeschwörern zu; mir fiel auf, dass die Schlangen in der gleißenden Sonne lebhafter tanzten als sonst. Ich sah eine Kinderschar, die ein europäisches Paar bedrängte, das vor ihnen flüchtete, wie ich noch vor einigen Tagen. Ein kleiner Junge war darunter, der mich an Badou erinnerte, und mit einem Mal sehnte ich mich danach, ihn wiederzusehen. Ich hoffte, dass ich die Gelegenheit dazu bekäme, wenn Etienne zurückkehrte; wenn Manon erkannte, dass Etienne zu mir stand, würde ihr nichts anderes übrig bleiben, als sich mit mir abzufinden, auch wenn es ihr gegen den Strich ging.
Am Ende meiner ersten Woche in dem kleinen Hotel wählte ich zwei meiner Aquarelle aus, zog mein grünes Seidenkleid an und begab mich ins Hôtel de la Palmeraie. Als Monsieur Henri mich auf den Tresen zukommen sah, erstarrten seine Gesichtszüge.
» Bonjour, Monsieur«, sagte ich. » Wie geht es Ihnen?«
» Gut, Mademoiselle. Was kann ich für Sie tun?« Er spähte nach unten, um zu sehen, ob ich Gepäck dabeihatte.
» Ich würde gern etwas mit Ihnen besprechen.«
» Sie sind also nicht wegen eines Zimmers gekommen?«
» Nein.« Ich lächelte und bemühte mich, meine Nervosität zu überspielen. Ich musste meine Worte mit Bedacht wählen – es hing nun alles davon ab, wie ich mein Anliegen vorbrachte. » Nein, ich brauche kein Zimmer.« Ich zog die beiden Aquarelle aus meiner Mappe. » Ich wollte Ihnen diese Bilder zeigen, die ich kürzlich gemalt habe, und Sie fragen, ob Sie vielleicht daran interessiert sind, sie zu den anderen zu hängen und in Kommission zu verkaufen.«
Er betrachtete sie und sah dann mich wieder an. » Sie sagten, Sie hätten sie selbst gemalt, Mademoiselle?«
Ich nickte. » Finden Sie nicht auch, dass sie gut zu den Bildern passen würden, die in der Lobby ausgestellt sind?« Wieder setzte ich ein Lächeln auf und zwang mich, mich möglichst geschäftsmäßig zu geben und meine Anspannung zu verbergen. Wenn ich in Marrakesch bleiben wollte, um auf Etienne zu warten, brauchte ich dringend Geld. Und dies hier war meine einzige Chance, das wusste ich.
Er sagte nicht Nein, sondern neigte den Kopf zur Seite. » Ich kann es natürlich nicht allein entscheiden, wir haben einen Einkäufer, der sich nicht nur um die kunsthandwerklichen Dinge und den Schmuck kümmert, die im Hotel verkauft werden, sondern auch um die ausgestellten Bilder.«
»Aber ich bin sicher, dass Sie Ihren Einfluss geltend machen können. Schließlich sind Sie ein Mann mit vorzüglichem Geschmack.«
Offensichtlich fühlte er sich geschmeichelt, denn Monsieur Henris Züge entspannten sich. » Ich werde sehen, was ich tun kann. In letzter Zeit haben wir einige Bilder verkauft, und ein neuer Künstler unter den bereits eingeführten würde sich vielleicht gut machen.«
Ich war so erleichtert, dass ich einen Moment lang brauchte, um eine Erwiderung zustande zu bringen. Er hatte mir zwar nichts versprochen, aber allein schon, dass er mich nicht abgewiesen hatte, war ein Erfolg. » Wunderbar. Ich lasse Ihnen die Bilder hier und komme in ein paar Tagen wieder, um zu erfahren, ob das Hotel bereit ist, sie auszustellen. Ich hätte noch mehr Bilder, falls Interesse besteht.« Zwei weitere waren fertig, und am Morgen hatte ich ein neues begonnen.
» Danke, Mademoiselle«, sagte Monsieur Henri mit einer angedeuteten Verbeugung.
Ich hob das Kinn und schenkte ihm ein offenes, dankbares Lächeln.
Während ich die Hotelhalle verließ, dachte ich über seine Worte nach – ein neuer Künstler –, und unwillkürlich wurde mein Schritt beschwingter. Als ein älterer Herr mich ansah und höflich den Hut lüpfte, ertappte ich mich dabei, wie ich noch immer lächelte.
Ein paar Tage später war ich in dem Souk, in dem vorwiegend Silberwaren verkauft wurden, und betrachtete einen feingliedrigen Silberring mit einem quadratisch geschnittenen Topaz. Am Morgen hatte ich abermals das Hôtel de la Palmeraie aufgesucht, und Monsieur Henri hatte mir gesagt, dass meine Werke dem zuständigen Einkäufer gut gefallen hätten. Er würde beide zu den ausgestellten Bildern hängen. Und bei Interesse würde er weitere
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