Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
Herrin.«
» Was holst du?«
» Sie brauchen.«
» Was braucht sie von hier?«
Falida hatte sich bereits wieder dem Erdhügel zugewandt und suchte mit den Händen die Erde ab. Plötzlich sah ich unter ihren Fingern die Form eines Schädels, der in ein Tuch gehüllt war. Ich schluckte und hielt Badous Gesicht an meinen haik gepresst. Ich wollte, dass Falida augenblicklich aufhörte, doch sie machte sich bereits wieder mit routinierten Bewegungen in der Erde zu schaffen, so als täte sie es nicht zum ersten Mal, und zerrte an dem alten Tuch, das unter ihren Händen zerriss. Und dann zog sie zu meinem Schrecken einen ausgeblichenen, spröden Knochen hervor. » Nur von alte Grab«, sagte sie lächelnd. » Hitze backen Knochen.« Der Knochen hatte eine runde Form. Sie verstaute ihn in der gewebten Tasche. » Noch einen«, sagte sie und machte sich abermals an dem Tuch zu schaffen.
» Wird Aisha-Quandisha uns jetzt holen?«, fragte Badou, dessen Stimme durch den Stoff meines haik gedämpft klang. Er zitterte. Warum hatte Falida ihn an diesen grausigen Ort mitgenommen und mutete ihm zu, Zeuge ihres grässlichen Tuns zu werden? Hatte Manon es ihr gar befohlen?
» Nicht, wenn du guter Junge«, sagte Falida, und doch sah sie sich selbst mit angstgeweiteten Augen um.
Zuerst dachte ich, Badou hätte von einer Art Friedhofswächter gesprochen. » Wo ist er?«, fragte ich Falida.
»Sie. Ist Frau, aber Beine von Kamel. Böser Dämon. Augen wie …«, sie unterbrach sich, »… Feuer. Kommt nachts zu Gräbern und fängt Männer. Sie mögen Männer.«
» Ich werde Badou jetzt nach Hause bringen«, sagte ich, weil ich nicht länger mit ansehen konnte, wie er vor Angst zitterte. Ich ergriff seine Hand, und als ich über das schmale Grab hinwegsteigen wollte, stieß Falida einen Schrei aus. Ich hielt erschrocken inne.
» Nein, Madame, nicht über Grab gehen.«
Instinktiv wich ich einen Schritt zurück.
» Wenn über Grab steigen, kein Baby mehr in Ihnen wachsen«, sagte sie und tätschelte sich den Bauch.
Ich betrachtete ihr schmales, von Blutergüssen entstelltes Gesicht und ihren besorgten Ausdruck und dachte über ihre Worte nach.
Mit Etienne würde es ohnehin kein Kind mehr geben. Er würde eine neue Schwangerschaft zu verhindern wissen.
Warum war mir dieser Gedanke nicht schon vorher gekommen? Immerzu war ich darauf fixiert gewesen, ihn zu finden, ihm meine Liebe zu zeigen und ihm beizustehen, während seine Krankheit Besitz von ihm ergriff. Doch ausgerechnet Falida musste mich, noch dazu an einem solch düsteren Ort, daran erinnern, dass ich niemals Mutter sein würde. Nie würde ich mein eigenes Kind in den Armen halten und zusehen, wie es wuchs. Ehe ich Etienne begegnet und schwanger geworden war, hatte ich mich mit einem Leben ohne Mann und Kind abgefunden, als Vermächtnis meiner Kinderlähmung, und es ganz einfach nicht zugelassen, mich nach einem anderen Leben zu sehnen. Doch seit ich eine kurze, aber intensive Zeit lang einen Vorgeschmack auf die Mutterschaft gekostet hatte, war es für mich schwer, wieder den alten Zustand zu akzeptieren und meine Sehnsüchte zu unterdrücken.
Einen Moment lang stand ich noch auf dem trostlosen Friedhof da und sah zu, wie Falida wieder in der Erde grub. Badous kleine Finger bogen sich fest um meine Hand, und ich spürte seinen feuchten Handballen.
Langsam ging ich mit ihm um das Grab herum. Plötzlich stieß Falida einen Freudenschrei aus. » Ich haben!« Und ich sah, wie sie einen Zahn hochhielt.
Ich verspürte einen starken Brechreiz.
» Zahn am besten!«, sagte Falida mit breitem Grinsen. » Nun Herrin zufrieden mit mir.«
Ich begleitete die beiden in die Sharia Zitoun zurück. In der Gasse der Holzhandwerker machte ich Halt bei einem Laden und kaufte Badou ein kleines geschnitztes Boot, in der Hoffnung, ihn von dem schauerlichen Erlebnis abzulenken. Mir selbst hatte es Angst eingejagt, und ich fragte mich, wie schlimm es erst für einen kleinen Jungen sein mochte.
Als ich mit Falida und Badou durch das safrangelbe Tor in den Innenhof trat, sprang Manon auf. Sie war nicht allein. Der Franzose, Olivier, war bei ihr. Er trug eine Leinenhose, aber kein Jackett, sondern nur ein weißes Hemd, dessen Ärmel bis zu den Ellbogen hochgekrempelt waren. Vor ihnen auf dem Boden stand die shisha, und auf dem niedrigen Tisch erblickte ich eine Cognacflasche und zwei Gläser. Wie gewohnt trug Manon einen wunderschönen Kaftan mit einer durchsichtigen dfina darüber. Das Haar hatte
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