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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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hinüber. Mena lachte und wiegte es auf den Knien, dann schob sie ihm ein Stückchen Brot in den Mund, und ihr Gesicht wirkte dabei so warm und liebevoll. Ich wusste nicht, wie lange sie schon verheiratet war, und fragte mich, warum sie noch keine Kinder hatte. Die andere Frau lächelte dem Kind zu, das sich allmählich wieder beruhigte, und die beiden Frauen nahmen ihr Geplauder wieder auf.
    Das war ihr Leben: sich um ihre Familien zu kümmern. Und deswegen war ich nicht Teil ihrer Welt – wahrscheinlich wog dieser Grund mehr als die Tatsache, dass ich Ausländerin war. Nie würden sie in mir eine Frau ihresgleichen sehen können.
    Eine Welle der Trauer schwappte über mich, neu und mächtig und unerwartet. Ich rief mir in Erinnerung, wie einsam ich mich nach dem Tod meines Vaters gefühlt hatte. Dann war Etienne aufgetaucht, und wir teilten die intimsten Momente, die es zwischen Mann und Frau gibt, und doch, so schien es mir jetzt, hatte er nicht völlig die Leere in mir auszufüllen vermocht. Nie hatte er sich mir ganz und gar hingegeben. Inzwischen war mir klar, warum, ich wusste, dass sein Geheimnis – seine Krankheit – ihn daran gehindert hatte.
    Während ich den Säugling an der Brust seiner Mutter betrachtete, rief ich mir die unerklärliche Freude ins Gedächtnis, die mich erfüllt hatte, als ich bemerkte, dass ich schwanger war.
    Mit einem Mal war mein Gefühl der Trauer übermächtig, doch diesmal war es aus einem anderen Grund. Ich erkannte, dass ich es mir selbst zuzuschreiben hatte, dass ich mich in meinem behüteten Elternhaus isolierte und so ichbezogen wurde. Abgesehen von der Kinderlähmung hatte ich mein Leben selbst geschaffen. Und nun sah ich klar und deutlich, was ich alles verpasst hatte: eine weiterführende Schulbildung, Freundschaften, am Kirchen- und Gemeindeleben teilzunehmen, für andere da zu sein. Mich in der Malerei auszubilden, indem ich Unterricht nahm, zum Beispiel. Einen Mann kennenzulernen, mit dem ich mein Leben hätte teilen können.
    Nun schämte ich mich, dass ich so von meinem vermeintlichen Stolz überzeugt gewesen war: Stolz darauf, dass ich es akzeptiert hatte, dass mein Leben einsam und bedeutungslos wurde.
    Das Kind auf Menas Schoß wanderte auf den seiner Mutter und sah mich dabei an. Ich lächelte. Wieder kam mir Badou in den Sinn. Er konnte nichts für sein Schicksal, das ihn mit einer Mutter bedacht hatte, die nicht den natürlichen Instinkt besaß, sich um ihn zu kümmern. Ich dachte daran, wie sie ihn achtlos auf die Straße hinausgeschickt hatte, wie er mir seine kleinen Sorgen anvertraut hatte, dass er sich nach Freunden, einem Hund sehnte. Klein waren seine Sorgen nur, solange er noch ein kleines Kind war, doch sie würden zusammen mit ihm wachsen. Und je mehr er in der Lage sein würde, sich um sich selbst zu kümmern, umso seltener würden die Aufmerksamkeitshappen werden – ein beiläufiges Lächeln, eine raue Geste, die als Zärtlichkeit durchging –, die Manon ihm gewährte, gefangen zwischen ihren Liebhabern und ihrem zügellosen Leben.
    Aszulay hingegen kümmerte sich liebevoll um Badou, doch wie lange würde er sich Manons Betragen noch gefallen lassen? Was würde mit Badou geschehen, wenn Aszulay sich nicht mehr von ihr angezogen fühlte?
    Ich stellte mir Badou vor, seinen nach Brot duftenden Atem und wie sein Zahn gewackelt hatte. Bald nachdem Aszulay zu seiner Arbeit zurückgegangen war, hatte ich meine Malutensilien zusammengepackt und ihn daran erinnert, dass wir bald zusammen aufs Land fahren würden.
    » Und was ist mit Falida?«, fragte er und sah das Mädchen an. » Wirst du einsam sein, wenn wir weg sind, Falida?«
    » Falida?«, sagte ich und drehte mich zu ihr. » Wo ist deine Familie?«
    » Meine Mutter war Dienerin. Wenn ich neun Jahre, meine Mutter sterben und ich leben auf Straße.«
    Ich rief mir die bettelnden Kinder auf den Straßen und dem großen Platz in Erinnerung.
    » Herrin mich sehen und sagen, ich wohnen in Sharia Zitoun, für sie arbeiten, und sie mir geben Essen.«
    » Du hast also niemanden mehr?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    » Alis Maman ist nett zu ihr«, sagte Badou.
    » Ja, sehr nette Frau«, sagte Falida. » Mir Essen gegeben.«
    Ich nahm meine Tasche. » Kommt mit, ihr beiden. Wir gehen mit Najeeb in die Souks und kaufen uns etwas Schönes. Ein paar Süßigkeiten zumindest. Oder hättest du vielleicht gern ein schönes Kopftuch, Falida?«
    Einen Moment lang sah sie mich an, dann ließ sie den Kopf sinken. »

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