Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
Ja«, sagte sie kaum hörbar.
» Du bist sehr gut, Sidonie. Wie Alis Maman«, meinte Badou mit feierlichem Ernst, und ich schlang die Arme um ihn und drückte ihn an mich.
In jenem Moment hatte ich gespürt, dass er mich brauchte, so wie Falida auch.
Ich legte mich auf den Rücken. Die Luft hier oben auf dem Dach war strahlend klar, der Himmel tiefblau. Die Sonne schien mir ins Gesicht und erfüllte mich langsam mit einer seltsamen Hitze, die sich sauber anfühlte. Wieder dachte ich an Badou und Falida, und etwas regte sich in mir. Zuerst erkannte ich nicht, was es war.
Dann plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Ich hatte eine Aufgabe gefunden.
EINUNDDREISSIG
A m nächsten Tag sagte Mena etwas auf Arabisch zu mir. Ich verstand, dass sie mir vorschlug, gemeinsam mit ihr das Hamam zu besuchen. Ich wohnte nun seit zwei Wochen in der Sharia Soura und hatte hin und wieder in einer zerbeulten Wanne in meinem Zimmer gebadet. Doch ich sehnte mich nach einem richtigen Bad. Ich wusste, dass in Marrakesch sowohl Männer als auch Frauen einmal in der Woche ein Hamam, ein öffentliches Dampfbad, besuchten, hatte jedoch keine Ahnung, was das in Wirklichkeit war.
Ich nickte, worauf Mena mir zwei kleine Blecheimer reichte. Darin befanden sich mehrere raue Stofflappen, die sie kese nannte, wobei sie mir zu verstehen gab, dass man sich damit abrubbelte, sowie zwei große aufgerollte Tücher – fotas –, das eine, um sich darin einzuwickeln, und das andere zum Abtrocknen. Ich wusste, dass es für einen Moslem eine Sünde war, den nackten Körper eines anderen Menschen zu betrachten, und war daher erleichtert, dass man sich offensichtlich auch im Dampfbad bedeckte. Auch wenn es einen Männer- und Frauenbereich gab, so war mir bei dem Gedanken, ein öffentliches Bad zu besuchen, doch etwas unbehaglich zumute.
Mena hielt mir ein Behältnis mit einer klebrigen schwarzen Substanz unter die Nase. Sie roch nach Rosenblättern und Olivenöl, und Mena rieb die Hände aneinander, eine Geste, mit der sie mir bedeutete, dass es sich um Seife handelte.
Je einen kleinen Eimer in jeder Hand, gingen Mena und ich hinter Najeeb her durch die Medina. Nach zehn Minuten hielten wir vor einem schilderlosen Eingang und stiegen eine Steintreppe empor, deren Stufen in der Mitte durch Generationen von Füßen ausgetreten waren. Am oberen Treppenabsatz befand sich kaum sichtbar eine so schmale Tür, dass ich mit den Eimern am Türrahmen anstieß. Drinnen war es schummrig, und ein starker Eukalyptusduft lag in der heißen, dampfigen Luft. Eine unverschleierte Frau in einem einfachen weißen Kaftan kam uns entgegen.
Mena reichte ihr zwei Münzen, die Frau rief nach jemandem, und zwei weitere Frauen traten durch eine Tür. Die fotas, die sie um den Körper gewickelt und vor der Brust übereinandergeschlagen hatten, reichten ihnen bis zu den Knien. Ums Haar hatten sie ebenfalls ein Tuch geschlungen.
» Tayebas«, erklärte Mena, und ich nahm an, dass es sich um zwei Helferinnen handelte. Wir folgten ihnen durch eine Flucht dunkler, gefliester Räume. Ein paar flackernde Lampen an den Wänden spendeten hie und da ein spärliches Licht, sodass ich mich in der Unterwelt wähnte. Die Wände waren feucht, von den Decken tropfte es.
Als wir an einem weiteren Raum vorbeikamen, schlug mir eine Hitzewelle entgegen. Ich spähte hinein, konnte aber nur die schattenhaften Umrisse von Menschen ausmachen, die mit getrockneten Palmwedeln Feuer anfachten.
Schließlich wurden wir in einen Raum mit Holzkabinen geführt, einige davon leer, in den anderen wiederum hingen Frauenkleider an Haken. Mena begann sich auszuziehen, indem sie zuerst den haik ablegte, dann die dfina und schließlich ihren Kaftan; dann hängte sie die Kleidungsstücke in eine leere Kabine. Als Nächstes entledigte sie sich des weißen Baumwollunterrocks und stand in einem weißen langärmeligen Hemd und langer Pluderhose da, die an den Beinnähten mit Spitze besetzt war. Ich hatte keine Ahnung gehabt, dass Marokkanerinnen so viele Lagen Kleidung trugen, und fragte mich, wie sie bei all dem Stoff die Hitze ertragen konnten. Mena drehte sich von mir weg und beschirmte mit ihrer fota den Körper, während sie die letzten beiden Kleidungsstücke abstreifte. Ich tat es ihr gleich und wickelte mich dann in meine fota ein, wobei ich sie über der Brust so übereinanderschlug, wie ich es bei den beiden tayebas gesehen hatte, die auf uns warteten.
Wieder folgten wir den beiden Frauen mit
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