Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
gesprochen hatte. Weil sie selbst eifersüchtig auf sie war. Und auf mich, weil Aszulay mir Aufmerksamkeit schenkte.
Aber sie hatte Olivier. Und sie hatte Aszulay, obwohl sie wusste, dass er verheiratet war. War das nicht genug? Wie viel wollte sie noch von Aszulay, was brauchte sie von ihm?
Wieder streckte ich die Hand nach dem Henkel des Korbs aus und zog an ihm, und schließlich ließ sie ihn los. » Ich gehe jetzt«, sagte ich und wandte mich dem Ausgang zu.
» Ach bitte, Sidonie, warte noch«, sagte Manon in einem freundlichen Ton, den ich noch nie zuvor bei ihr gehört hatte. » Ich wollte dir etwas geben. Warte, ich bin gleich wieder da.«
Ich wurde sofort misstrauisch: Noch nie hatte Manon mir eine Freundlichkeit erwiesen, andererseits war ich neugierig, was sie jetzt wieder im Schilde führte. Sie ging schnell die Treppe hinauf und kam kurz darauf mit einem Gegenstand in der Hand zurück.
» Ein Tintenfass mit Schreibfeder«, sagte sie. » Ein antikes Stück, wie es die Schreiber früher benutzt haben.« Sie hielt mir das Tintenfass hin. Es war ein eiförmiges, kunstvoll verziertes Silberbehältnis. » Schau, hier ist die Feder«, sagte sie und zog an dem langen Metallfederhalter. Etwas Dunkles – Tinte? – glänzte an der Spitze. Sie tat, als wollte sie es mir in die rechte Hand geben, doch sie traf mich mit der Spitze, die eine scharfe Kerbe in meinen Handballen ritzte. Instinktiv zuckte ich zurück, und auf dem Ballen bildete sich eine Blutperle.
» Oh, tut mir leid«, sagte sie, leckte ihren Finger ab und berührte die Wunde. Während sie den Finger daraufhielt, murmelte sie leise einen Vers.
Ein Schauder überlief mich. »Was hast du da gesagt?« Ruckartig zog ich die Hand zurück und rieb den Handballen an meinem haik ab.
Sie starrte mich aus ihren dunklen Augen an. » Ich habe nur gesagt, wie ungeschickt ich war.« Doch ich wusste, dass sie log. Ich sah es an ihrem Blick – sie wirkte äußerst zufrieden.
Ich sah das Tintenfass und den Federhalter an, die sie mir noch immer hinhielt. » Ich will das nicht.« Damit drehte ich mich um, ging zum Tor, schob den Riegel zurück und verließ den Innenhof, ohne das Tor zuzumachen oder mich umzublicken.
Während des Abendessens wurde ich krank. Der Ehemann und die Söhne hatten bereits gegessen, und ich saß mit Mena auf einem der Kissen an dem niedrigen Tisch im Wohnzimmer. Nawar war noch in der Küche, und wir warteten auf sie. Doch während ich das Essen auf dem Tisch ansah, verschwamm es vor meinen Augen. Meine Hand schmerzte, und ich betrachtete sie. Der Handballen war geschwollen, die kleine Wunde aufgedunsen und an den Rändern dunkelrot.
Ich wollte nach oben in mein Zimmer, um mich hinzulegen, und versuchte aufzustehen, indem ich mich mit der linken Hand auf dem Tisch abstützte. Mena sah mich besorgt an, fragte mich etwas, doch ihre Stimme kam von weit her.
» Krank«, sagte ich auf Arabisch, und Mena stand auf und kam zu mir.
Schweißperlen traten mir auf die Stirn, und ich wischte sie mit der rechten Hand ab.
Mena umfasste mein Handgelenk und besah sich den geschwollenen Ballen, wie ich fand, einen Augenblick zu lang. Ich verstand ihre auf Arabisch gestellte Frage: » Was ist das?«
Ich zitterte und hatte mit einem Mal nur noch das Bedürfnis zu schlafen. Als ich meine Hand zurückziehen wollte, hielt Mena sie fest und stellte mir dieselbe Frage noch mal.
Wie sollte ich es ihr mit meinem dürftigen Arabisch erklären? » Frau «, sagte ich mit matter Stimme. » Mich verletzt .«
» Sikien?«, fragte sie, und ich schüttelte den Kopf, weil ich nicht verstanden hatte. Sie nahm mit der anderen Hand ein Messer vom Tisch. » Sikien«, wiederholte sie und deutete auf meinen Handballen.
Wieder schüttelte ich den Kopf und ahmte mit der anderen Hand eine schreibende Geste nach. Wie lautete das arabische Wort für Füllfederhalter? Und warum machte Mena ein so großes Aufheben, wo ich mich doch nur ein wenig krank fühlte?
» Qalam?«, sagte sie schnell, und diesmal nickte ich.
» Ja, qalam. Federhalter. Sie hat mich mit einer Feder gestochen«, murmelte ich, obwohl ich wusste, dass sie kein Französisch verstand. Wieder wollte ich meine Hand wegziehen, doch Mena hielt sie noch immer fest. Sie rief nach Nawar und der Dienerin. Beide kamen aus der Küche angerannt, und Mena sprach aufgeregt mit ihnen und zeigte auf meine Hand.
Die alte Dienerin stieß einen Klagelaut aus, wiederholte ein ums andere Mal ein bestimmtes Wort, das ich
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