Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
nicht verstand, drehte sich zu Nawar um, und ich hörte, wie sie » Aszulay« sagte.
Mit einem Mal war es viel zu heiß und hell im Zimmer. Männliche Stimmen und Nawars Gebete mischten sich mit dem Gejammer der alten Dienerin, bis sich alle Laute zu einem unverständlichen dämonischen Gekreische vereinten. Der Raum kippte, und der Boden kam mir entgegen.
ZWEIUNDDREISSIG
E in beißender Geruch drang mir in die Nase, und ich wandte das Gesicht ab. Doch bei der abrupten Bewegung schmerzte meine Stirn, und als ich die Augen öffnete, nahm ich alles nur verschwommen wahr. Ich brauchte eine Weile, um zu begreifen, dass ich auf der Tagesliege im Wohnzimmer lag und Mena mit einem kleinen, rauchenden Stoffbeutel vor meinem Gesicht wedelte.
» Besmellah rahman rahim.« Immer wieder betete sie diese Worte herunter. Schließlich blickte sie mir in die Augen und sagte etwas, doch ich verstand nur das Wort » Dschinn«.
Ich wollte den Kopf schütteln, sagen : Nein, nein, es ist kein Dschinn, kein böser Geist. Bestimmt kommt es vom Essen, etwas, was ich tagsüber gegessen und nicht vertragen habe. Aber mein Kopf gehorchte mir nicht. Ich wollte, dass sie aufhörte, mir mit dem rauchenden Stoffbeutel vor dem Gesicht herumzuwedeln. Aber bis auf la – nein – fielen mir keine arabischen Worte ein. Und dann sah ich Aszulay. Er erschien neben Mena und sprach mit ihr. Sie wandte das Gesicht von ihm ab und zog sich den Schleier übers Gesicht, dann antwortete sie in kurzen, schnellen Sätzen, während sie wieder mein Handgelenk ergriff und die Stimme erhob.
Aszulay erwiderte etwas, und Mena verließ das Zimmer.
Er kauerte sich neben mir auf die Fersen. » Mena sagt, dass eine böse Frau dich verhext hat.«
Ich versuchte zu lächeln – was für eine absurde Idee –, doch es war, als wäre ich in einem schmerzlichen Traum gefangen. War Aszulay wirklich da, oder bildete ich ihn mir nur ein, wie am Morgen im Hamam? » Nein, ich bin nur … krank. Vielleicht Essen …« Meine Stimme verebbte.
Er nahm meine Hand. Seine Finger fühlten sich so kühl an. Mein Gesicht brannte, die Wange pochte, und ich schmiegte sie an seinen Handrücken und schloss die Augen. Dann drückte ich die Lippen auf seine Haut und atmete seinen Duft ein, versuchte, das Indigo zu riechen.
» Was ist mit deinem Gesicht passiert, Sidonie?« Seine Stimme war so sanft. Er zog seine Hand nicht weg.
Ich öffnete die Augen, und plötzlich sah ich seine Züge klar und deutlich und nah, und mir wurde bewusst, was ich tat. Dies war kein Traum. Er musterte mein Gesicht. Ich ließ seine Hand los und fuhr mit den Fingern über meine Narbe, doch er besah sich die andere Seite. Ich betastete die Wange, sie fühlte sich geschwollen an.
» Ich bin ohnmächtig geworden und gestürzt. Wahrscheinlich bin ich auf die Wange gefallen«, sagte ich verlegen. » Tut mir leid, dass man Sie herbemüht hat.« Ich wollte mich aufsetzen, war jedoch zu schwach. » Morgen, wenn ich geschlafen habe, wird es mir wieder besser gehen.«
» Wer ist die Frau, von der Mena gesprochen hat?«, fragte Aszulay und drückte mich sanft an der Schulter, sodass ich wieder auf das Kissen zurücksank.
» Manon. Ich war heute Nachmittag dort, um nach Badou und Falida zu sehen. Aber sie waren nicht zu Hause, nur Manon war da.«
» Und? Was ist mit deiner Hand passiert?«
Ich wollte es mit einem kurzen Lachen abtun, aber der Laut missglückte mir. » Ach, nichts. Sie wollte mir ein Geschenk geben. Keine Ahnung, warum. Sie mag mich ja nicht.«
Er kauerte reglos neben mir.
» Ein alter Füllfederhalter mit einem Tintenfass. Als sie es mir geben wollte, hat sie mich mit der Feder gestochen. Das ist alles.«
Sein Ausdruck veränderte sich. » Vielleicht ist es besser, wenn ich dich in die Klinik im Französischen Viertel bringe.«
» Nein«, sagte ich. » Auf meinem Zimmer habe ich eine Wundsalbe, die hilft bestimmt.« Plötzlich klapperte ich mit den Zähnen; ich fühlte mich nicht mehr fiebrig, sondern hatte Schüttelfrost.
Aszulay drehte den Kopf und rief etwas, dann nahm er wieder meine Hand und musterte die Wunde. Ich bemerkte, dass mein Handballen noch geschwollener war, der Schnitt eiterte bereits. Ich versuchte, die Finger auszustrecken, doch es gelang mir nicht.
Das Gesicht der alten Dienerin erschien über Aszulays Schulter; er sagte etwas zu ihr, und sie ging wieder hinaus. » Sie bringt dir eine Decke. Außerdem habe ich ihr gesagt, sie soll einen der Jungen zu mir nach Hause schicken, um
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