Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
an diesem Tag hatte ich nicht mit ihr gerechnet.
» Was willst du?«, fragte sie.
Ich hob meinen Korb hoch. » Ich habe Essen mitgebracht. Für Badou«, sagte ich, denn ich ahnte, es sei besser, Falida nicht zu erwähnen.
» Du brauchst mein Kind nicht zu versorgen. Ich bin sehr wohl in der Lage, das selbst zu tun.«
» Natürlich. Ich dachte nur, du seist noch weg, und Aszulay …«
» Also haben du und Aszulay euch angefreundet, hm?«, fragte sie und starrte mich feindselig an.
Ich stand noch immer im Eingang. » Nun gut, da du wieder da bist, brauche ich mich ja nicht länger um Badou zu kümmern.«
» Es gibt keinen Grund, und du hast kein Recht, dich um mein Kind zu sorgen. Aber komm rein, ich will nicht, dass die Nachbarn reden.«
Ich sah mich kurz in der menschenleeren Straße um und trat in den Innenhof. Manon schloss das Tor hinter mir und schob den Riegel vor.
» Wo ist Badou?«, fragte ich. Im Innenhof war niemand, und auch aus dem Haus war nichts zu hören.
» Ich habe ihn zusammen mit Falida in die Souks geschickt. Was hast du mitgebracht?«
Sie nahm mir den Korb ab, hob das Tuch hoch und lüpfte dann den Deckel des Topfes mit dem Couscous-Gemüse-Eintopf. » Aha, seit wann kochst du denn marokkanisches Essen?«
» Gut, ich gehe dann wieder, und da du das Essen ja nicht brauchst, nehme ich es eben wieder mit.« Ich langte nach dem Henkel des Korbs, aber sie ließ ihn nicht los.
»Badou hat mir erzählt, dass du mit ihm und Aszulay aufs Land fährst.« Ihre Stimme klang ausdruckslos. Ihre Hand, die den Korb hielt, war nur wenige Zentimeter von meiner entfernt. »Warum fährst du mit? Dort gibt es außer Berbern und Kamelen nichts zu sehen. Nur Staub und Dreck. Keine zehn Pferde würden mich in dieses Kaff bringen.«
Ich antwortete nichts.
» Du weißt ja, dass er eine Frau hat«, sagte sie mit einem verschlagenen Lächeln. Ihr Daumen legte sich auf meine Finger und drückte sie auf den Henkel des Korbs.
Ich spürte einen Stich. Ich hatte mir eingeredet, Aszulay sei nicht verheiratet. Und natürlich war der Mann, der wenige Stunden zuvor im Hamam in meinen Fantasien vorgekommen war, unverheiratet gewesen.
Mit einem Mal war ich mir sicher, dass Manon log, so wie sie mich über Etienne angelogen hatte.
»Tatsächlich?«, sagte ich. »Ich war bei ihm zu Hause und habe außer der alten Dienerin keine Frau gesehen.« Ich hatte eigentlich nicht vorgehabt, ihr von meinem Besuch in Aszulays Haus zu erzählen, doch Manon hatte es mal wieder geschafft, mich zu provozieren, indem sie sagte: Du weißt ja, dass er eine Frau hat, um dann abzuwarten, wie ich reagieren würde. Offensichtlich ging sie davon aus, dass es mir sehr wohl etwas ausmachte, wenn Aszulay verheiratet war – so als hätte sie die Bilder in meinem Kopf gesehen.
Ihr Lächeln verschwand so schnell, wie es gekommen war, und der Druck ihres Daumens auf meinen Fingern verstärkte sich. » Du warst bei ihm«, sagte sie.
Ich sah sie an und versuchte erst gar nicht, meine Hand zurückzuziehen. » Ich habe keine Frau gesehen«, wiederholte ich.
» Was hast du dort gemacht?«
» Das geht nur mich etwas an.« Als ich merkte, dass diesmal ich es war, die sie zu einer Reaktion bewogen hatte, straffte ich die Schultern: Ich konnte dieser Frau die Stirn bieten. Sie vermochte mich nicht länger mit ihren Worten zu verletzen.
» Natürlich hast du sie nicht gesehen. Sie lebt ja nicht in der Stadt.«
Was hatte Aszulay genau gesagt? Ich versuchte mir seine Worte ins Gedächtnis zu rufen, mit denen er mich eingeladen hatte, ihn und Badou zu begleiten. Alle paar Monate besuche ich meine Familie. Ich zog meine Hand zurück. » Und wenn schon? Dann hat er eben eine Frau.«
» Sie ist ein richtiges Mädchen vom Land. Weit unter seinem Stand«, sagte sie verächtlich. » Ein Nomadentrampel. Sie lebt dort, wo sie hingehört, nämlich inmitten ihrer Ziegen.«
» Ach ja?«, sagte ich mit gespieltem Desinteresse.
» Willst du noch immer mit ins bled fahren? Du willst mitkommen und zuschauen, wie Aszulay mit seiner Frau zusammen ist?«
» Warum nicht? Was sollte mir das ausmachen?« Dieses Spielchen, das wir begonnen hatten, beunruhigte mich zusehends. Vielleicht, so überlegte ich, sollte ich doch besser nicht mit Aszulay aufs Land fahren.
Aber das würde bedeuten, Manon den Sieg zu überlassen.
Mit gleichmütiger Stimme fragte ich: » Warum hast du eine solche Abneigung gegen sie?« Natürlich wusste ich, warum sie so abfällig über Aszulays Frau
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