Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
Kopftuch. Wieder rief ich mir Aszulays Gesicht vor Augen, als er mich ansah, während ich im Majorelle-Garten ausgelassen lachte, und das blendende Weiß seiner Zähne im Kontrast zu seinem sonnengebräunten Gesicht. Und während ich abermals im Geiste sah, wie er dem Vogel über uns im Baum lauschte, wurde ich schläfrig und ließ mich von dem Gefühl inneren Friedens einlullen. Ich zog die Knie an, legte die Stirn auf die Arme und schloss die Augen. Ich musste wohl eingeschlafen sein, denn nach einer Weile schreckte ich auf, als Mena neben mir etwas sagte. Sie bedeutete mir mitzukommen, und ich folgte ihr zu einer Tür, die zu einem Durchgang führte. Ich nahm an, dass wir wieder in den Umkleideraum zurückgehen würden, aber wir gelangten in einen weiteren Raum, in dem Frauen auf dem Boden saßen oder lagen und sich von anderen Frauen massieren ließen. Als ich sah, wie sie sich gegenseitig rieben und kneteten, musste ich daran denken, wie ich immer den Brotteig geknetet hatte.
Mena wies mich an, mich auf den Bauch zu legen, deutete zuerst auf mich und dann auf sich, und ich begriff, dass wir uns nun ebenfalls gegenseitig massieren würden.
Zuerst drohte meine alte Schüchternheit zurückzukehren, und ich war versucht, dankend abzulehnen, doch ich tat es nicht, sondern beschloss, mich dem Ritual eines Hamam-Besuchs zu beugen: Auf das Abrubbeln und Reinigen folgte die Entspannung im Dampf und dann die Massage. Ich breitete mein Tuch auf dem Boden aus und legte mich auf den warmen Fliesen auf den Bauch, den Kopf auf den verschränkten Armen, so wie die anderen Frauen auch. Mena kniete sich neben mich und begann meine Schultern zu massieren.
Eigentlich hatte ich erwartet, dass es mir unangenehm wäre, wenn eine andere Frau meinen Körper berührte, doch in dieser Umgebung fühlte es sich ganz natürlich an.
Wieder schloss ich die Augen.
Wie lange war es her, dass mein Körper zuletzt von jemandem berührt worden war? Im Geiste überschlug ich die verflossenen Monate: Das letzte Mal war an jenem Morgen gewesen, als ich Etienne erzählte, dass ich ein Kind erwartete. Ich versuchte mir in Erinnerung zu rufen, wie Etienne und ich uns nähergekommen waren, und mir seine Zärtlichkeiten vorzustellen. Während Mena mit ihren kräftigen, geschickten Händen meinen feuchten Rücken, dann die Hüften und Gesäßbacken und schließlich Beine und Füße durch die dünne fota hindurch massierte, überkam mich eine wohlige Benommenheit. Noch immer dachte ich an Etiennes Hände, die meinen Körper erkundeten, stellte mir seinen Körper auf meinem vor und ließ zu, dass meine Fantasie unsere intimsten Momente heraufbeschwor.
Als Mena mich an der Schulter berührte, wusste ich, dass die Reihe nun an mir war, ihr diese Wohltat angedeihen zu lassen. Ich öffnete die Augen und blinzelte mich in die warme, wohlduftende Wirklichkeit des Hamams zurück.
Während ich mich neben Mena kniete und langsam begann, ihre Schultern zu kneten, gewahrte ich, dass ich gar nicht an Etienne gedacht hatte. Die Hände und der Körper, die in meiner Fantasie vorgekommen waren, hatten einen bläulichen Schimmer.
Schließlich begaben wir uns wieder in den Umkleideraum, wo wir uns abtrockneten und anzogen, um dann mit unseren kleinen Eimern, in denen unsere feuchten Tücher lagen, den Rückweg in die Sharia Soura anzutreten, wie immer beschattet von Najeeb.
Während wir schweigend durch die Straßen gingen, war ich mir meines Körpers, der sich feucht und sauber und frei unter meinem Kaftan anfühlte, bewusster denn je. Es war, als ob jede Nervenzelle geweckt worden wäre, und auch wenn mein Atem langsam und gleichmäßig ging, hatte ich das Gefühl, als schlüge mein Herz ein wenig schneller als sonst.
Ich verspürte ein ungekanntes Wohlgefühl.
Meine unerwarteten Fantasien über Aszulay gingen mir nicht mehr aus dem Kopf, und ich schob die Schuld auf die außergewöhnliche Umgebung, in der ich mich wiedergefunden hatte, auf die sinnliche Atmosphäre des Hamam.
Einen anderen Grund gab es nicht, versuchte ich mir einzureden.
Am Nachmittag wollte ich nach Badou und Falida sehen. Wieder begab ich mich in Begleitung Najeebs – oder aber seines Zwillingsbruders, denn ich konnte die beiden Jungen nicht auseinanderhalten – in die Sharia Zitoun. Ich klopfte und wartete, dass Badou oder Falida mir aufmachten.
Aber es war Manon, die das Tor aufzog.
Ich sog scharf die Luft ein: Mir war zwar bewust gewesen, dass sie jederzeit zurückkommen konnte, doch
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