Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
da ich sie die ganze Zeit unbeweglich halten und die Finger spreizen musste, und als sie leicht zu zittern begann, war sofort eine Frau zur Stelle, um mein Handgelenk zu stützen.
Nachdem sie mit der rechten Hand fertig war, nahm Zora die linke. Diesmal brachte sie die Muster in umgekehrter Reihenfolge auf, sodass sich das Muster der Innenseite der rechten Hand in dem auf dem linken Handrücken spiegelte und umgekehrt.
Als sie fertig war, wies sie mich an, mit den Händen nirgendwo anzustoßen, während eine andere Frau eine rußgeschwärzte Schüssel mit glühenden Kohlen darin brachte. Zohra bedeutete mir, die Hände darüber zu halten, damit die Hitze den Trocknungsprozess beschleunigte.
Dann nahm sie die beiden Mädchen bei der Hand und entfernte sich mit ihnen, sodass ich allein mit den anderen Frauen auf dem Boden saß. Diese widmeten sich plaudernd ihrer Stickarbeit. Mein rechtes Bein schmerzte, weil ich es nicht gewohnt war, so lange in dieser Position auf dem Boden zu sitzen. Immer mehr Frauen erschienen jetzt in der Mitte des Zeltkreises, wechselten sich beim Rühren in dem Kessel ab und platzierten weitere Töpfe an den Rand des Feuers. Meine Hände wurden warm über dem dampfenden Kohlebecken. Der Geruch von gekochtem Fleisch drang mir verführerisch in die Nase, und mit einem Mal spürte ich, dass ich hungrig war. Meine Gedanken wanderten zu Badou, und ich hoffte, dass sich der Kleine bei den anderen Kindern wohlfühlte.
Nach einer Weile kam Zohra mit einem Topf warmen Wassers zurück. Sie bedeutete mir aufzustehen und brachte mich damit in Verlegenheit. Denn in Anbetracht meines steifen Beins hätte ich mich mit beiden Händen auf dem Boden abstützen müssen, und ich fürchtete, damit das Muster zu zerstören. Eine Frau sagte etwas zu einer anderen, worauf sie sich kurzerhand hinter mich stellten, mich unter den Achseln fassten und mir mit einem Ruck auf die Füße halfen. Ich lächelte verlegen ob meiner Unbeholfenheit, doch sie erwiderten offen mein Lächeln und sagten etwas in freundlichem Ton.
Die Paste auf meinen Händen war schwarz geworden. Und als Zohra sich daranmachte, sie sanft abzuwaschen, trat darunter ein rötlich braunes, filigranes Muster zutage. Ich streckte beide Hände aus und drehte sie immer wieder, um sie zu bewundern.
» C’est magnifique, Zohra«, sagte ich, und sie lächelte stolz. Dann gab sie mir zu verstehen, ihr zum Feuer zu folgen, um zu essen. » Manger, manger«, sagte sie.
Inzwischen hatte sich das ganze Dorf mit seinen Gästen um das Feuer versammelt. Badou kam an der Hand des Mädchens zu mir und setzte sich neben mich. Zohra und ihre zwei Töchter nahmen auf der anderen Seite neben mir Platz. Aszulay sah ich nirgends, und ich nahm an, dass er bei seiner Frau war.
Eine alte Frau rührte jetzt in dem Kessel; plötzlich förderte sie mit einer Eisenstange einen Ziegenkopf zutage. Wieder fielen mir die Ziegenschädel ein, die ich auf dem Dschemma el Fna gesehen hatte. Ich war mir sicher, dass ich keinen Bissen davon hinunterbringen würde.
Kleine Mädchen reichten Schüsseln mit warmem Wasser herum, und wir wuschen uns die Hände und trockneten sie an den Tüchern ab, die die Mädchen um die Taille gebunden hatten.
Ich sah zu, wie weitere Ziegenköpfe aus dem Kessel auftauchten und auf große Messingtabletts platziert wurden. Dann lösten einige Frauen das Fleisch von den Schädeln. Wenigstens, so sagte ich mir, waren die Augenhöhlen leer. Anschließend salzten die Frauen die blassgelblichen Fleischstreifen und würzten sie mit Paprika. Schließlich verteilten sie das Fleisch in kleine irdene Schüsseln, gaben Linsen und Reis dazu und reichten die Schüsseln reihum. Ich gab etwas von dem Essen auf meinen Teller, und als ich sah, dass die Kinder bei ihren Müttern mitaßen, nahm ich ein paar Fleischstreifen mit den Fingern, blies darauf und führte sie an Badous Lippen. Er nahm sie, kaute gehorsam, und kaum hatte er den Bissen heruntergeschluckt, öffnete er erneut den Mund. Unwillkürlich musste ich an einen kleinen Vogel denken. Ich stellte den Teller in meinen Schoß und forderte ihn auf, sich selbst zu bedienen. Schließlich atmete ich tief ein und nahm mit spitzen Fingern einen winzigen Streifen Fleisch. Es schmeckte salzig und ein wenig faserig, aber keineswegs ekelig, wie ich befürchtet hatte, und auch wenn ich noch nie etwas Vergleichbares gegessen hatte, fand ich den Geschmack irgendwie interessant. Badou und ich aßen den Teller leer und beschlossen
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