Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
Albany abspielte oder aber in Afrika.
Erneut schloss ich die Augen, hob das Gesicht gen Himmel und ließ mich von der Freude durchströmen.
Als ich die Augen wieder öffnete, saß eine Frau, die ich zuvor nicht gesehen hatte, bei Aszulay. Er sah ihr in das tätowierte Gesicht und sprach eindringlich mit ihr, nickte, worauf sie etwas erwiderte, was ihn veranlasste, den Kopf in den Nacken zu legen und aus vollem Herzen zu lachen, auf eine Art, wie ich es nie zuvor bei ihm gesehen hatte: voller Freude, voller Leben.
Die Frau war jung und attraktiv – auf die natürliche, stolze Art der Nomaden. Ihre Haare waren locker geflochten, und zahlreiche Silberhalsketten bildeten einen reizenden Kontrast auf der dunklen Haut ihres Halses; an ihren schmalen Handgelenken klimperten Armreifen. Sie lachte mit Aszulay, nahm ihm dann die Flöte aus der Hand und führte sie an die Lippen. Ich beobachtete die beiden durch die Flammen, die wabernde Schatten auf ihre Gesichter warfen.
Das also war sie: Aszulays Frau.
Und plötzlich wurde ich von meinen Gefühlen überwältigt. Ich konnte es nicht länger ertragen, sie zusammen zu sehen, doch ebenso wenig konnte ich den Blick von ihnen abwenden.
Die Empfindungen, die mich noch Sekunden zuvor durchströmt hatten, waren wie weggeflogen, der Zauber des schönen Abends zerstört.
Ich wollte selbst neben Aszulay sitzen. Ich wollte ihn dazu bringen, mit mir zu lachen, so wie seine Frau es vermochte. Nie hatte ich etwas Kluges oder Geistreiches zu ihm gesagt. Stattdessen hatte ich ihn dazu veranlasst, ernst zu sein und mir zu helfen. Sich um mich zu kümmern, wie ich mich um Badou kümmerte.
VIERUNDDREISSIG
W ie die meisten anderen kleineren Kinder auch war Badou eingeschlafen, eingerollt auf der sich langsam abkühlenden Erde neben mir. Zohra hob ihre ebenfalls schlafende jüngere Tochter hoch und gab mir ein Zeichen, es ihr gleichzutun. Ich stand auf und hievte Badou hoch, der schlaff und schwer in meinen Armen lag. Es bereitete mir Schwierigkeiten, mit dem Jungen auf den Armen über den unebenen Boden zu gehen, und ich folgte Zohra langsam und vorsichtig. Am Himmel leuchteten unzählige Sterne, und die Sichel des Neumonds lag auf dem Rücken.
Während wir auf ein Zelt zugingen, blieb Zohra stehen und deutete auf eine Konstellation, die aussah wie ein Drachen mit seinem Schwanz. Sie sagte etwas auf Tamazight, und ich schüttelte nur verständnislos den Kopf. Einen Moment lang schloss sie die Augen, um sich zu konzentrieren, und sagte dann: » La croix.«
» Das Kreuz?«
Sie nickte, und da fiel mir die Weissagung Mohammeds mit seinem Affen Hasi ein. Mohammed hatte vom Kreuz des Südens gesprochen, unter dem sich irgendetwas ereignen würde, aber damals hatte ich freilich angenommen, dass er sich in Allgemeinplätzen erging. Dass er jeder Ausländerin, die dumm genug war, dafür einen Sou oder zwei herauszurücken, die gleiche Geschichte erzählte. Doch als ich nun unter dem funkelnden Sternenhimmel stand, war es für mich mit einem Mal wichtig, mir seine Worte ins Gedächtnis zu rufen. Unter dem Kreuz des Südens werden Sie finden, was Sie suchen. Aber weil es eine andere Gestalt angenommen hat, werden Sie es möglicherweise nicht erkennen … Außerdem hatte er von den Dschinn gesprochen.
Badou rührte sich in meinen Armen, und während ich noch immer das Kreuz des Südens betrachtete, zog ich ihn fester an mich. Sein kleiner Körper fühlte sich in der kühlen Nachtluft noch immer warm an, und er roch wie die Erde. Ich dachte an Aszulay, der ein Bröckchen roter Erde gekostet hatte.
Ich nahm den Blick vom Himmel und sah auf Badou hinab.
Seine nackten Füße waren mit einer trockenen Schlammschicht bedeckt, die vom Barfußlaufen am Bachufer herrührte – wo waren seine babouches?, fragte ich mich –, und ein zufriedener Ausdruck lag auf seinem Gesicht. Er drehte den Kopf, sodass seine Nase gegen meine Schulter drückte.
Zohra hatte den Zipfel des Zelteingangs zur Seite gezogen. Ich erkannte einige Kinder, die auf dem Boden lagen, der mit einer dicken Schicht Teppichläufern und Tierfellen ausgelegt war. Ein paar husteten; die Luft in dem Zelt war warm von den Körpern der schlafenden Kinder. Eine ältere Frau saß, in einen bestickten Schal gehüllt, in einem Winkel des Zeltes und wachte über die Kinder. Zohra bettete ihre Tochter auf einen freien Platz auf dem Boden und bedeutete mir, Badou neben sie zu legen. Dann breitete sie eine Decke über die beiden. Badou murmelte
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