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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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sie nochmals. » Auch wenn … wie hieß er noch mal … Matisse, glaube ich … dort vor einigen Jahren gelebt hat. Und ein paar weitere seltsame Künstler scheinen dort ihr Quartier aufgeschlagen zu haben – Maler und Schriftsteller und so fort, die sich offensichtlich jenseits jeglicher Zivilisation inspiriert fühlen. Aber im Großen und Ganzen hat Tanger sehr viel mehr an Unterhaltung zu bieten. Hier gibt es allen möglichen Zeitvertreib – man kann unzählige Dinge tun …«
    An dieser Stelle unterbrach jemand sie mit einer koketten Bemerkung: » Da kann jeder machen, was er will …«
    Die anderen taten lautstark und unisono ihre Zustimmung kund.
    » Also, ich muss jetzt … Ich …« Wieder brachte ich meinen Satz nicht zu Ende. Ein kurzer Moment der Stille entstand, und Marcus nutzte ihn, um mit den Fingern zu schnalzen. Kurz darauf erschien ein Kellner mit einem Tablett, und Marcus flüsterte ihm etwas ins Ohr. » Ich suche jemanden. In Marrakesch«, sagte ich überflüssigerweise.
    » Ach so, ich verstehe«, sagte Elizabeth und zog die Augenbrauen hoch. » Hat sich wohl aus dem Staub gemacht und Sie im Stich gelassen, nicht wahr? Vielleicht ist er ein Spion. Ist er ein Spion, Miss O’Shea? Das Land wimmelt von ihnen, müssen Sie wissen. Von Spionen und Schwarzhändlern. Jeder sucht jemanden oder etwas.«
    Ich stand so abrupt auf und stieß meinen Stuhl so heftig zurück, dass er den vorbeieilenden Kellner an der Hüfte traf. Ihm entfuhr ein kleiner, überraschter Schrei, dann ging er weiter.
    » Nein. Nein, er ist kein Spion. Und auch kein …«
    » Ein Schwarzhändler, Liebes. Sie wissen schon, diese Typen, die einem Drogen verkaufen wollen und die man nicht mehr loswird. Die Bewohner von Tanger sind ganz schön hartnäckig. Jeder will unablässig etwas von einem«, sagte sie abermals. » Man muss äußerst energisch sein.«
    » Ja«, sagte ich. » Also dann, vielen Dank. Für den Drink«, fügte ich hinzu. Während ich rasch die Lounge verließ, spürte ich aller Augen auf mir. Gewiss war mein Hinken unter der ungewohnten Wirkung des Alkohols ausgeprägter als sonst.
    In der Kühle meines schattigen Zimmers lag ich auf dem Bett, und mein Kopf hämmerte noch immer vom Whisky. Ich ärgerte mich über mein Verhalten, mit dem ich mich vor Elizabeth Pandy und ihren Freunden gewiss lächerlich gemacht hatte. Ich wusste weder, wie man sich in dieser Atmosphäre der unbeschwerten Kameraderie bewegte, noch war ich geübt in Smalltalk, etwas, was ihnen so leichtfiel.
    Ich erinnerte mich, wie ich an Deck des Schiffes stand, mit dem ich vor kurzem von New York nach Marseille gereist war, und wie sich das gleiche Gefühl meiner bemächtigt hatte.
    Während ich darauf wartete, dass das Schiff endlich ablegte und sich aus dem Hafen entfernte, hatte es meiner ganzen mentalen und physischen Kraft bedurft, um nicht die Fassung zu verlieren. Ich beobachtete die Menge unter mir auf dem Kai; die meisten winkten, lächelten und riefen den Passagieren Abschiedsgrüße zu, die, so wie ich, nach Übersee reisten. Unter den Zuschauern bemerkte ich auch einige Menschen mit traurigen Mienen: eine junge Frau, die sich ein Taschentuch an den Mund presste, ein junger Mann und eine junge Frau, die sich gegenseitig stützten, während sie mit gequältem Ausdruck zum Schiff hochsahen, ein paar weinende Kinder. Doch die Atmosphäre am Kai und auf dem Schiff war vorwiegend von Freude, Ferienstimmung und Abenteuerlust geprägt.
    Doch das, was ich verspürte, als ich auf den Holzplanken des Decks stand und die zurückweichenden Gesichter der winkenden Menschen betrachtete, war blanke Panik. Nie hatte ich auch nur im Traum daran gedacht, jemals den Fuß auf ein Schiff zu setzen. Nie hatte ich auch nur im Leisesten daran gedacht, Amerika zu verlassen. Ich war nie außerhalb des Staates New York gewesen. Mit meinen dreißig Jahren war ich so ängstlich wie ein Kind an seinem ersten Schultag.
    Panik war jäher Angst gewichen. Die Entfernung zwischen Schiff und Kai tat sich wie ein Abgrund auf. Das, was ich fühlte, war Verlust, den Verlust all dessen, was ich kannte, all dessen, was mir vertraut war. Aber ich wusste, dass ich gehen musste, dass ich keine andere Wahl hatte.
    Während sich das Schiff langsam vom Kai entfernte, konnte ich noch immer winkende Arme und geöffnete Münder erkennen, doch die Geräusche erstarben. Mein Herzschlag beruhigte sich. Plötzlich nahm ich jemanden neben mir wahr, eine ältere Dame, deren Hände die Reling

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