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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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saß – mit den Topfpalmen, deren Wedel sich sanft im Wind wiegten, den Holzmöbeln und dem Blick auf den Hafen bestellte ich Pfefferminztee und pastilla. Dies sei eine Pastete mit dem Fleisch eines Vogels, wie mir der Kellner erklärte – ich verstand nicht, ob er Taube meinte oder Rebhuhn –, gemischt mit Reis und gehacktem Ei und in eine hauchdünne Teighülle eingeschlagen.
    Während ich auf das Essen wartete, lehnte ich den Kopf an die hohe Stuhllehne, lauschte einem gedämpften, aus der Ferne erklingenden Gemurmel in einer fremdländischen Sprache, dem Gurren einer Taube in der Nähe und dem sanften Rascheln der Palmwedel in der frühabendlichen Brise. Tanger erschien mir reizvoll, obwohl ich wusste, dass es auch gefährlich und unkontrolliert war, ein Freihafen, der von keinem Staat regiert wurde. Ich war müde und wurde von einer Trägheit übermannt, die nicht unangenehm war. Und trotzdem würde ich nicht – konnte ich nicht – in Tanger bleiben. Ich setzte mich aufrecht hin und schüttelte die Müdigkeit ab. Morgen, so nahm ich mir vor, würde ich nach einem Fahrer suchen, der mich nach Rabat bringen würde, wie der Amerikaner auf dem Fährschiff mir angeraten hatte.
    Der Kellner kam mit einem Tablett und stellte eine kleine Messingteekanne vor mich auf den Tisch. Er hielt die Kanne hoch über das kleine, bemalte Glas in seinem silbernen Halter, und die bernsteinfarbene Flüssigkeit ergoss sich in geschwungenem Bogen in das Gefäß. Ich erwartete schon, dass der Tee spritzen würde, doch er füllte das Glas mit der schäumenden Flüssigkeit, ohne einen Tropfen zu vergeuden. Dann goss er den Tee in die Kanne zurück, schenkte erneut ein und wiederholte die Prozedur dreimal. Schließlich stellte er die Teekanne wieder auf das Tablett, umfasste das Glas mit beiden Händen und reichte es mir mit einer leichten Verbeugung.
    » Très chaud, Madame«, sagte er. » Warten Sie ein wenig, bitte, bis kühl.«
    Ich nickte und hob das Glas an dem silbernen Griff an die Nase, um daran zu schnuppern. Der Duft der Minze war beinahe überwältigend. Ich nahm vorsichtig einen winzigen Schluck und schmeckte eine intensive Süße, ein Aroma, das ganz anders war als das aller Teesorten, die ich je getrunken hatte, aber es schmeckte köstlich.
    Ich dachte an daheim, an das Haus am Stadtrand von Albany. An meinen Garten und die Stille, die zu dieser Abendzeit dort herrschte. Wenn ich mich nicht gerade durch das Gartentor auf die Juniper Road wagte, konnten die Tage ins Land gehen, ohne dass ich eine Menschenseele gesehen, mit jemandem gesprochen hatte. Auch die langen, dunklen Winternächte rief ich mir in Erinnerung.
    All das schien so weit entfernt. Gewiss, es war weit weg, geografisch gesehen. Aber ich spürte nicht nur eine räumliche Entfernung. Das Gefühl der Distanz hing auch mit dem zusammen, was seit damals geschehen war, seit jenen endlosen, ruhigen Tagen, an denen ich gedacht hatte, dass mein Leben für immer so weitergehen würde. Als mein Leben aus kleinen, sicheren Teilen eines größeren, aber im Grunde sehr einfachen Puzzles bestanden hatte.
    Als ich sicher gewesen war, stets zu wissen, an welche Stelle jedes einzelne Teil gehörte.

FÜNF
    Z wei Jahre zuvor – 1928 – hatte mein Vater einen Brief von einem Anwalt erhalten.
    » Lies ihn mir bitte vor, Liebes«, sagte er mit besorgter Miene und setzte sich an den Küchentisch. » Ich kann mir nicht vorstellen, was ich mir habe zuschulden kommen lassen.«
    » Es muss ja nichts Schlimmes bedeuten, Vater«, erwiderte ich, während ich den Brief öffnete und ihn überflog.
    » Nun sag schon, was steht darin?«
    Ich sah ihn an. » Vater, Mr Harding ist gestorben.«
    » Nun«, sagte er. » Die arme alte Seele. Ich wusste, dass er seit längerem krank war.«
    Mr Harding war der letzte Arbeitgeber meines Vaters gewesen, der sich als so entgegenkommend gezeigt hatte, als Vater nach vierzehn Jahren seinen Dienst hatte quittieren müssen.
    »Und warum schreibt mir ein Anwalt, um mich darüber zu informieren?«
    Ich fuhr mit der Zungenspitze über die Lippen und zwang mich, nicht mit der Neuigkeit herauszuplatzen. Natürlich bedauerte ich, dass Mr Harding gestorben war, auch wenn er zweiundneunzig geworden war.
    » Du erinnerst dich an seinen Wagen«, begann ich.
    »Welchen denn? Er hatte ja eine kleine Flotte von Automobilen.«
    » Vater, der, den du so gern gefahren bist. Du hast immer von diesem Wagen geschwärmt.«
    Er hob das Kinn und lächelte. » Ah ja, das war

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