Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
auf das Wasser, in dem drei Insekten schwammen, die sich aus der Karaffe zu befreien versuchten. Eines krabbelte bis zur Hälfte hinauf und klammerte sich verzweifelt an die Glaswand, während sich die anderen beiden in einer Art Wassertreten abmühten; ihre Bewegungen waren so langsam, als handelte es sich bei dem Wasser um Sirup. Gewiss würden alle drei binnen kurzem in dem Nass umkommen.
Niemand nahm Notiz von mir, und während ich so tat, als sei dies eine gewohnte Situation für mich, atmete ich tief durch, lehnte mich auf dem Stuhl zurück und nippte vorsichtig an dem Campari. Er schmeckte bitter, beinahe wie Medizin. Ich vermutete, dass das Sprudelwasser den strengen Geschmack des Getränks abmildern würde, zögerte aber wegen der Insekten.
Ein Schatten fiel auf die Karaffe, als eine junge Frau an meinem Tisch vorbeikam. In ihren flachen Lederschuhen ging sie mit langen, leichten Schritten einher, und ihr männlich wirkendes Hemd steckte im Bund eines schlichten Rocks. Ihr Haar war kurz geschnitten und fiel lockig in ihren Nacken. Ihr Blick streifte mich, ehe sie sich an einen Tisch mit vier weiteren Gästen begab – einer Frau und drei Männern. Alle begrüßten sie überschwänglich.
Diese Frau sah aus, als wüsste sie, wo man einen Wagen mieten konnte.
Ich berührte mit den Fingerspitzen die Lippen, die vom Campari brannten. Dann stand ich auf und ging zu der Gruppe hinüber, mir wohl bewusst, dass sie mich alle beim Näherkommen beobachteten. Prompt stolperte ich in dem nur spärlich beleuchteten, hohen Raum, in den das Licht nur in langen schrägen Streifen durch Rundbogenfenster fiel, über den hochflorigen Teppich. Als ich zu der hageren Frau trat, wurde es mit einem Mal still.
» Entschuldigen Sie«, sagte ich.
» Ja?« Ihre Art war nicht besonders freundlich. Sie musterte unverfroren mein Haar und mein Gesicht und ließ den Blick kurz auf der Narbe auf meiner Wange verweilen. Ich musste mich zwingen, meine Hand unten zu lassen und die Narbe nicht zu bedecken.
»Ich … ich bin erst vor kurzem in Tanger angekommen. Erst vor zwei Stunden, um genau zu sein. Und ich muss unbedingt einen Wagen mieten. Ich dachte, Sie könnten mir vielleicht helfen.«
Während ich sprach, änderte sich ihre Haltung. » Hallo«, sagte sie dann und streckte die Hand aus, wie es unter Männern üblich war. Ich ergriff sie; sie war grobknochig und stark. Ihr Händedruck war fest und kurz und presste meine Knöchel schmerzhaft zusammen. » Elizabeth Pandy«, sagte sie und fügte hinzu: » Aus Newport in Maine. Und Sie?«
» Ich heiße Sidonie O’Shea.«
» O’Shea. Hm. Von den O’Sheas aus Boston? Ich kannte den alten Robbie. Und seine Tochter Piper.«
»Nein. Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich komme aus Albany.« Beim letzten Wort stammelte ich, mir war wohl bewusst, dass sie mich alle beobachteten. Ich spürte, wie mir Schweißperlen auf die Stirn traten.
Sie lächelte. Ihre Oberlippe war schmal und ließ einen Teil ihres Gaumens erkennen. » Ach so, New York. Ich dachte nicht …« Sie unterbrach sich. » Wissen Sie, als ich Sie vorhin sah, hielt ich Sie für eine Französin. Sie …« Wieder stockte sie.
Ich wusste, warum sie das sagte, doch ihre Art zu sprechen, ihr Ton, sagte mir, dass es vielleicht besser sei, ihr nichts von der Herkunft meiner Mutter zu erzählen.
» Setzen Sie sich doch zu uns und trinken Sie etwas mit uns.«
» Oh, ich habe bereits einen Drink, vielen Dank. Einen …« Ich warf einen Blick zu meinem Tisch. » Einen Campari.« Wieder berührte ich meine brennenden Lippen. » Obwohl ich ihn nicht bestellt hatte.«
Sie nickte wissend. » Keine Ahnung, warum diese verdammten Jungen denken, dass jeder Ausländer in Tanger Campari trinkt. Nun setzen Sie sich doch zu uns und nehmen Sie einen ordentlichen Drink mit uns.«
Sie nickte zu einem der Männer, der sofort aufstand und einen Stuhl vom Nachbartisch heranzog. Elizabeth Pandy war offensichtlich eine Frau, die es gewohnt war, anderen zu sagen, was sie zu tun hatten.
» Ich …« Ich blickte über die Schulter zur Tür. Wie konnte ich die Lounge wieder verlassen, ohne unhöflich zu erscheinen? Aber in Gegenwart dieser selbstsicheren Männer und Frauen fühlte ich mich so unwohl, denn sie riefen mir deutlich vor Augen, wie unbedeutend mein Leben im Vergleich zu ihrem war. Wie fehl am Platze ich hier war. » Ich muss wirklich … Ich brauche so bald wie möglich einen Wagen. Und natürlich einen Fahrer. Deshalb dachte ich, ob Sie
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