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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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mitzuerleben und inmitten all der aufregenden Wagen zu sein. Inzwischen konnten wir sogar wieder lachen.
    Die Jahre gingen ins Land. Die Jahreszeiten wechselten einander ab, und mein Vater und ich wurden älter, ohne dass sich viel ereignete. Bis zu jenem Tag Ende März 1928, als ein eisiger Ostwind wehte und mein bisheriges Leben ausradierte.

VIER
    W ährend ich an der Rezeption des Hotels Continental in Tanger wartete, um meinen Zimmerschlüssel in Empfang zu nehmen, stellte ich fest, dass der Amerikaner vom Fährschiff es recht treffend beschrieben hatte: Die anderen Gäste waren elegant und nach der neuesten Mode gekleidet, und das Hotel war sehr ansprechend, eine gelungene Kombination aus europäischen und arabischen Elementen.
    Ich schlenderte zu einer Tafel, die in der Nähe der Rezeption an der Wand angebracht war. Der Beschriftung war zu entnehmen, dass Alfred, der Sohn Königin Victorias, einer der ersten Besitzer des Hotels gewesen war. Als ich die Finger über die Tafel gleiten ließ, fiel mir abermals der Trauerrand unter meinen Fingernägeln auf.
    Ein Hotelboy mit kastanienbraunem Fes begleitete mich zu meinem Zimmer. Der Stoff am Rand seiner Kopfbedeckung war ausgeblichen, und die Quaste hatte ebenfalls bessere Zeiten gesehen. Mit einem breiten Lächeln und einem Nicken stellte er meine Koffer auf den Boden meines Zimmers. » Omar«, sagte er und klopfte sich an die Brust. » Omar.«
    Ich legte ein paar Centimes in seine Hand.
    » Danke, Omar. Kann ich zu dieser Tageszeit irgendwo etwas zu essen bekommen?«, fragte ich ihn, und während er angestrengt meine Lippen betrachtete, wie jemand, der sich bemüht, eine Sprache zu verstehen, die er nicht besonders gut beherrscht, nickte er.
    » Manger«, sagte ich nochmals und berührte mit den Fingerspitzen meine Lippen.
    » Ah, oui. Unten, Madame, unten«, sagte er, indem er sich, noch immer nickend, rückwärts aus dem Zimmer entfernte. Unversehens erlosch sein Lächeln. » Aber, bitte, Madame, nicht auf Dach gehen«, erklärte er in gebrochenem Französisch. » Dach nix gut.«
    » Oui, Omar«, sagte ich, » ich werde nicht aufs Dach gehen.«
    Als er gegangen war, trat ich an eines der schmalen Fenster. Von dort blickte man auf den Hafen und die dahinter liegende Meerenge, die sowohl vom Atlantik als auch vom Mittelmeer gespeist wurde. An ihrer engsten Stelle war sie nur vierzehn Kilometer breit, und doch trennte sie zwei Kontinente sowie einen Ozean und ein Meer. Es war, als wäre Tanger irgendwo dazwischengeraten und als gehörte es weder zum europäischen Spanien noch zum afrikanischen Marokko.
    Mit einem Mal schauderte ich in einem unvermuteten Anflug von Wehmut, aber auch, weil ich plötzlich fröstelte, obwohl die Luft, die durch das geöffnete Fenster hereingelangte, lau war und nach Meer roch. Dieses merkwürdige Gefühl, isoliert zu sein, überraschte mich. Ich mochte keine Menschenmengen und mied Situationen, in denen ich zu nichtssagender Konversation gezwungen war, und doch wollte ich mit einem Mal nicht allein hier in diesem Hotelzimmer sein. Vor allem aber musste ich einen Fahrer mit Wagen ausfindig machen, der mich nach Marrakesch brachte.
    Ich ging über die geschwungene Treppe in die Lobby zurück. An der Tür zur Lounge zögerte ich, und das alte Gefühl des Unwohlseins bei der Begegnung mit fremden Menschen stieg wieder in mir hoch, während ich den spärlich beleuchteten Raum mit den Augen absuchte. An verschiedenen Tischen saßen Menschen, einige, die Köpfe zusammengesteckt, in einer Ecke, andere laut lachend an der Bar. Ich atmete tief ein und betrat die Lounge. Ich setzte mich an einen der kleinen runden Tische. Im nächsten Moment stand ein Mann mit kurzem, weißem Jackett vor mir und verbeugte sich. Dann stellte er ein Tablett mit einem Glas rötlicher Flüssigkeit und einer kleinen Karaffe, in der sich offensichtlich mit Kohlensäure versetztes Leitungswasser befand, auf meinen Tisch. Obwohl nur spärliches Tageslicht durch die hohen, halb zugezogenen Fensterläden fiel, konnte ich die drei schwarzen Insekten erkennen, die im Wasser schwammen.
    » Non, non, Monsieur«, sagte ich zu dem Kellner und schüttelte den Kopf. Ich wollte ein Mineralwasser bestellen.
    » Campari, Madame«, sagte er mit fester Stimme, als hätte ich ihn nach der Art des Getränks gefragt oder es zuvor bestellt. Er reichte mir ein Blatt und deutete mit dem Finger auf eine Zeile, und statt mich weiter mit ihm auseinanderzusetzen, unterschrieb ich. Ich starrte

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