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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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schmutzige und von Fliegendreck verschmierte Windschutzscheibe kurz das Land. Dann riss ich das Blatt vom Zeichenblock und reichte es Mustapha. Er sah es an, ehe er es ergriff. Dann musterte er es eindringlich, um es an Aziz weiterzureichen. Ein paar Minuten lang herrschte Schweigen, schließlich sagte Aziz leise etwas auf Arabisch und gab Mustapha die Zeichnung zurück. Der antwortete in seiner gutturalen Sprache.
    » Mein Cousin sagt gut, Sie vielleicht keine dschinnia. Aber Sie nicht mehr fahren.«
    » Nein, natürlich nicht«, erwiderte ich und sah Mustapha an. » Schukran, danke, Mustapha.« Ich beugte ehrerbietig den Kopf, um ihm zu zeigen, wie sehr ich seine Entscheidung schätzte.
    Er sah mich noch immer nicht an, faltete das Blatt aber sorgfältig zusammen und steckte es in eine Tasche seines Gewandes. Dann ließ er den Motor an und fuhr zu der Stelle zurück, an der meine Koffer lagen. Er stieg aus und hievte sie unsanft wieder neben Aziz’ Sitz. Der murrte und stieß die Koffer ein wenig von sich weg. Dann stieg Mustapha wieder ein und starrte mich an.
    » Wir fahren nach Marrakesch«, sagte er mit beleidigter Miene.
    » Inschallah«, erwiderte ich.
    Ehe es dunkel wurde, hielt Mustapha unter einer Palmengruppe am Rand der Sandpiste an.
    Während die Männer den Kofferraum öffneten, stieg ich aus, um meine Glieder und schmerzenden Gelenke zu strecken. Sie zogen ein paar alte Läufer aus dem Kofferraum und brachten sie zu den niedrigen Palmen, wo sie einen behelfsmäßigen Schutz errichteten, indem sie einen Läufer auf dem Boden ausbreiteten und den anderen als Dach über die Palmwedel drapierten.
    » Sie hier schlafen«, sagte Aziz, und ich lächelte ihn dankbar an, erleichtert, dass ich nicht im Wagen übernachten musste. Ich setzte mich auf die Decke und sah zu, wie sie eine Laterne und eine Blechdose aus dem Kofferraum holten. Aziz leerte den Inhalt auf den Boden, es waren Kohlestücke. Inzwischen nahm Mustapha einen Kanister aus dem Kofferraum und goss etwas von der Flüssigkeit in eine zerbeulte Teekanne.
    Nun begriff ich, warum sie meine Koffer nicht im Kofferraum verstaut hatten: Er war voll von ihren Reiseutensilien. Kaum war die Sonne hinter den weit entfernten Bergen untergegangen, wurde es auch schon dunkel. Die beiden entzündeten eine Kerosinlampe und machten Pfefferminztee. Im Lichtschein der Lampe kauten wir Streifen von getrocknetem, gesalzenem Fleisch und aßen Brot sowie Feigen und Oliven, während wir unseren Tee dazu tranken.
    Die Männer blieben beim glühenden Kohlefeuer, während ich zu meinem Unterschlupf ging. Ich setzte mich auf den Läufer und lauschte ihrem leisen Gemurmel. Nie zuvor hatte ich einen solchen Himmel gesehen, weder zu Hause noch auf See noch in Marseille oder Tanger. Ich legte mich auf den Rücken und betrachtete das sternenübersäte Himmelsgewölbe über mir.
    Ich rief mir die Nächte ins Gedächtnis, als ich zu Hause auf den Verandastufen gesessen und den Nachthimmel studiert hatte. Damals war mir mein Leben so unbedeutend wie ein Sternensplitter der Milchstraße vorgekommen, aber hier weckte der grandiose Himmel andere Gefühle in mir. Die Sterne in der vollkommenen nächtlichen Stille schienen so nahe, dass ich das Gefühl hatte, sie hören zu können, ein entferntes, gedämpftes Raunen, ähnlich dem Geräusch einer Muschel, die man sich ans Ohr hält.
    Die Muschel gaukelt uns das Meeresrauschen vor. In der Wüste meinte ich, den Himmel zu hören. Ich zählte drei Sternschnuppen. Mit einem Mal fühlte ich eine große Schwere, als würde mich der Sternenhimmel in den Bauch der Erde drücken wollen.
    Plötzlich ertönte eine rhythmische Lautfolge gleich einem schmatzenden, platschenden Geräusch. Ich lauschte und versuchte auszumachen, was es war. » Was ist das für ein Laut?«, rief ich schließlich in die Dunkelheit hinein.
    » Nur wildes Kamel, Madame«, hörte ich Aziz’ Stimme. » Es gehen und gehen, uns riechen und hören.«
    Ich lächelte beim Gedanken an diese wilde Kreatur, die neugierig und gewiss verwundert um unseren Wagen und meinen Unterschlupf strich, während sich ihre merkwürdig aussehenden Füße so sicher auf dem sandigen Grund bewegten. Dann zog ich einen Zipfel des Läufers über mich und betrachtete wieder die Sterne, bis mir die Augen zufielen.
    Am nächsten Tag tranken wir Tee und aßen etwas Brot und fuhren dann weiter.
    » Ende dieser Tag wir in Marrakesch sein, Madame«, sagte Aziz.
    Ich schluckte. Wir würden in Marrakesch sein.

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