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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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wieder machte sie Anstalten, die Tür zu schließen, doch ich stemmte die Hand dagegen.
    » Ich weiß.« Wieder stieg Panik in mir auf. » Ich weiß, aber …« Ich sah ihr ins Gesicht. » Er hat mich gebeten, vorbeizukommen und nachzusehen, ob er einen schwarzen Aktenkoffer stehen hat lassen.« Ich war selbst verwundert, dass mir dieser Satz so schnell eingefallen war. Meine Verzweiflung musste ihn mir eingegeben haben, denn ich wollte – musste – unbedingt Etiennes Zimmer sehen. Ich musste mich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass er abgereist war.
    » Einen Aktenkoffer?«
    » Ja. Schwarz mit einer Messingschließe. Er bedeutet ihm sehr viel, deshalb bat er mich … wie ich Ihnen bereits sagte, herzukommen und danach zu suchen.« Ich drückte die Tür auf und trat in den Flur. Der Geruch nach gekochtem Rindfleisch hing in der Luft. Etienne hatte tatsächlich einen solchen Aktenkoffer besessen; ich hatte ihn auf dem Rücksitz seines Wagens gesehen, als er mich zur Klinik fuhr. Das wenigstens entsprach der Wahrheit.
    » Nun, es würde mich nicht überraschen, wenn der Doktor etwas vergessen hätte. Er ist völlig überstürzt abgereist.«
    » Ich brauche nicht lange, wenn Sie mir nur sagen, wo ich seine Zimmer finde.« Wieder blickte ich der Frau fest in die Augen.
    » Nun gut.« Die Frau drehte sich um und zog die Schublade einer Kommode auf, die im Flur stand, und reichte mir dann einen Schlüssel. » Im ersten Stock auf der linken Seite, die erste Tür. Es sind zwei miteinander verbundene Zimmer.«
    » Danke«, sagte ich und ging die Treppe hinauf. » Oh« – ich drehte mich nochmals zu ihr um –, » hat Dr. Duverger daran gedacht, Ihnen seine Adresse zu hinterlassen, um ihm seine Post nachschicken zu können?« Ich bemühte mich, meiner Stimme einen möglichst beiläufigen Ton zu verleihen, konnte aber mein Herz pochen hören.
    » Nein. Aber er hat ohnehin nur ein, zwei Briefe erhalten, in der Zeit, als er hier wohnte. Aus dem Ausland.«
    Ich nickte, doch als ich den Fuß auf die nächste Stufe setzte, fügte sie hinzu: » Einen hat er nur wenige Tage vor seiner Abreise bekommen.« Wieder hielt ich inne und blickte zu ihr zurück. » Die gleichen ausländischen Briefmarken«, fügte sie hinzu.
    Ohne zu antworten, eilte ich weiter die Treppe hoch, bis ich den ersten Stock erreichte. Außer Sichtweite dieser Frau hielt ich inne und lehnte mich an die Tür. Ich atmete tief ein. Schließlich richtete ich mich wieder auf und steckte den Schlüssel ins Schloss.
    Im ersten Zimmer waren die Jalousien heruntergelassen, und die Luft roch abgestanden. Es war einfach möbliert mit einer gesteppten Couch, zwei Stühlen mit geraden Lehnen sowie einem robusten Schreibtisch mit drehbarem Holzstuhl. Auf dem Schreibtisch lag ein Papierstapel. Ich schloss die Tür, durchquerte den Raum und zog die Jalousie hoch. Blasses Licht flutete in das Zimmer, und in den matten Lichtstreifen tanzten Staubkörner. Ich kämpfte mit dem Schiebefenster, doch schließlich gelang es mir, es so weit hochzuschieben, dass ein wenig kühle Luft hereinströmte, die das Papier raschelnd bewegte und den Raum mit frischem Duft erfüllte.
    Durch die offene Tür des angrenzenden Zimmers erblickte ich ein ordentlich gemachtes Bett mit einer Piquétagesdecke.
    Ich setzte mich in den Stuhl hinter dem Schreibtisch und durchsuchte mit zitternden Fingern den Papierstapel. Aber es handelte sich nur um eine Studie über Halskrankheiten. Ich zog die Schublade auf der rechten Seite auf. Bis auf eine Brille war sie leer. Ich nahm sie und fuhr mit dem Finger über die dünne Fassung. Ich stellte mir vor, wie Etienne hier gesessen hatte, während er mit der Fingerspitze abwesend auf den Brillensteg klopfte.
    » Etienne«, flüsterte ich. » Wo bist du? Was ist passiert?«
    Ich legte die Brille auf den Schreibtisch und zog nacheinander die anderen Schubladen auf. Abgesehen von den üblichen Schreibtischutensilien – Büroklammern, einem halb leeren Tintenfass, einigen Stiften mit zerkauten Enden – waren sie leer.
    Ich blickte unter den Schreibtisch, wo ein Papierkorb stand. Er enthielt ein zusammengeknülltes Blatt Papier und ein leeres Tablettenfläschchen. Ich glättete das Blatt und sah, dass es nur das Einwickelpapier einer Pfefferminzpackung war. Das Etikett der Tablettenflasche zeigte den unaussprechlichen Namen Oxazolidin und Etiennes Namen, auf den die Arznei verschrieben worden war. Die Fläschchen mit seinem Schmerz- und Schlafmittel kannte ich. Doch

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