Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
Frankreich lebt.«
Ich nickte, versuchte, alles zu verarbeiten, was Dr. Hilroy mir gesagt hatte. Etiennes Familie? Aber … sie waren doch alle tot. » Ist er nach Frankreich gereist?«
Dr. Hilroy trat von einem Fuß auf den anderen und blickte auf seine Uhr; allmählich schien er die Geduld zu verlieren. » Er hat einfach nur erklärt, dass er wegen dringender Familienangelegenheiten nicht länger bleiben könne und nach Hause zurückkehren müsse.«
Nach Hause zurückkehren. Familienangelegenheiten. Ich dachte, ich hätte die Worte lautlos vor mich hin gemurmelt, doch der Arzt musste sie gehört haben, denn er sagte: » Ja. Also dann, auf Wiedersehen, Mrs … Ma’am.«
» Gibt es also keine Möglichkeit, wie man ihn erreichen kann? Hat er keine Adresse hinterlassen?« Es war mir jetzt gleich, wenn man mir meine Verzweiflung anmerkte. Mochte dieser Mann von mir denken, was er wollte.
Plötzlich sah Dr. Hilroy nach unten, und mein Blick folgte ihm. Da bemerkte ich, dass meine Hände seine umklammerten. Ich ließ sie los und trat einen Schritt zurück. Er begann, auf den Zehenspitzen zu wippen.
» Nein, tut mir leid.« Ein leiser Aufschrei entwich mir, und ich starrte Dr. Hilroy an, sodass ich mein Spiegelbild in seinen Augen ahnte.
Ich hatte das nächstbeste Kleid angezogen, das mir unter die Finger kam, und mein Haar … ich wusste nicht einmal, ob ich es gekämmt hatte. Plötzlich erinnerte ich mich daran, wie blass und ausgehöhlt mein Gesicht gewesen war, als ich in der vergangenen Nacht in den Spiegel geblickt hatte. Der Arzt musste von mir denken, ich sei eine Geisteskranke.
» Es tut mir leid«, sagte er nochmals.
» Gibt es nichts, gar nichts, was Sie mir noch sagen könnten?« Ich hörte den flehenden Ton in meiner Stimme. » Können Sie mir die Adresse nennen, wo er gewohnt hat? Es war ein Wohnheim in der Nähe, das weiß ich.«
Das weiß ich. Die Worte riefen mir ins Bewusstsein, wie wenig ich wusste.
Dr. Hilroy legte die Stirn in Falten. » Ich glaube nicht, dass ich diese Information herausgeben sollte.«
» Ich bin Miss O’Shea.« Ich zwang mich, mich gerade hinzustellen, wusste, dass ich so nicht weiterkam. Mir war nicht entgangen, wie irritiert Dr. Hilroy durch mein Verhalten war. In ruhigem Ton sprach ich weiter. » Miss Sidonie O’Shea. Sie können meinen Namen in der Krankenhausakte nachsehen, um festzustellen, dass ich letztes Jahr Dr. Duvergers Patientin war. Und ich weiß nicht, warum es ein Problem sein sollte, wenn Sie mir die Adresse des Wohnheims nennen. Wenn Dr. Duverger tatsächlich Albany verlassen hat, spielt es ohnehin keine Rolle mehr, nicht wahr?«
Er musterte mich einen Augenblick lang.
» Bitte«, sagte ich beinahe flüsternd, doch er schüttelte nur den Kopf und ging zum Schalter hinüber, wo er leise mit der Rezeptionistin sprach, während er verstohlen zu mir herübersah. Dann winkte er mich an den Schalter, ging jedoch weg, ehe ich ihn erreichte und den Zettel ergriff, den die Dame mir hinhielt.
Das Haus, in dem Etienne gewohnt hatte, befand sich zehn Häuserblocks vom Krankenhaus entfernt. Ich redete mir ein, dass er bestimmt noch da war, dass er Albany noch nicht verlassen hatte. Er würde mich nicht einfach zurücklassen, vor allem nicht unter diesen Umständen. Er hatte gesagt, er würde mich heiraten. Er hatte von unserem Kind gesprochen.
Bestimmt wäre er nicht nach Frankreich abgereist, ohne vorher mit mir gesprochen zu haben. Ohne mir zu sagen, was geschehen war – welche Familienangelegenheiten ihn so dringend zur Abreise zwangen. Und wann er wieder zu mir zurückkehren würde.
Das Ziegelsteinhaus war hoch und schmal und machte einen gepflegten Eindruck; der cremefarbene Anstrich von Fenstern und Türen schien erst vor kurzem erneuert worden zu sein. In einem der vorderen Fenster stand ein Schild, auf dem zu lesen war: Möblierte Zimmer zu vermieten. Ich sagte mir, das Haus müsse viele Zimmer haben und das Schild sich nicht unbedingt auf Etiennes Räume beziehen.
Ich betätigte den Türklopfer, und eine ältere Dame in einem ordentlich gebügelten braunen Kleid mit Spitzenkragen öffnete.
» Tur mir leid«, sagte sie sogleich. » Die Zimmer sind noch nicht gereinigt worden. Wenn Sie vielleicht in ein paar Tagen wiederkommen könnten. Ich kann Ihnen aber …«
» Nein«, sagte ich, indem ich sie unterbrach, und atmete tief ein. » Ich suche keine Zimmer, sondern bin eine Freundin von Etienne Duverger.«
» Er wohnt nicht mehr hier.« Schon
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